WEG-Recht

Ein Sondereigentumsverwalter ist kein Verwalter im Sinne einer in der Gemeinschaftsordnung vereinbarten Vertretungsbeschränkung

In vielen Gemeinschaftsordnungen (GO) finden sich Vereinbarungen, die eine Stimmrechtsbevollmächtigung beschränken. Grundsätzlich sind derartige Vereinbarungen wirksam. In Einzelfällen kann es rechtswidrig sein, wenn der Verwalter die Klausel zu rigoros anwendet und keine Ausnahme zulässt.

Für den Sondereigentumsverwalter (SEV) ist eine derartige Ausnahme nicht anzuerkennen, meinte das Landgericht Frankfurt am Main in einem Hinweisbeschluss vom 10.11.2022 zum gerichtlichen Aktenzeichen 2-13 S 54/22, der dazu führte, dass die Anfechtungsklägerin ihre Berufung zurücknahm.

Der Fall

Die Anfechtungsklägerin ist Wohnungseigentümerin im Amtsgerichtsbezirk Gelnhausen. Mit der Mietverwaltung ihrer Wohnung hat sie die C-GmbH beauftragt (SEV). Zur Eigentümerversammlung vom 14.7.2021 erschien der Geschäftsführer der C-GmbH, Herr X, mit schriftlicher Vollmacht der Klägerin. Die Teilnahme wurde ihm vom Verwalter unter Hinweis auf § 10 Nr. 4 der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung (TE/GO) vom 13.6.1993 verwehrt. § 10 Nr. 4 TE/GO lautet: „Ein Wohnungseigentümer kann sich in der Eigentümerversammlung nur durch seinen Ehegatten, den Verwalter oder einen anderen Wohnungseigentümer der Gemeinschaft oder einen zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Dritten aufgrund schriftlicher Vollmacht vertreten lassen“.

Das Amtsgericht Gelnhausen hat die Klage mit der Begründung, die Vereinbarung in § 10 Nr. 4 TE/GO sei wirksam und eine Ausnahme nicht zuzulassen, abgewiesen. Die Klägerin ging in Berufung. Das Berufungsgericht gab der Berufungsklägerin den Hinweis, dass es beabsichtigte, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) durch Beschluss zurückzuweisen, da sie einstimmig zu der Überzeugung gelangt sei, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe.

Die Entscheidung

Das Amtsgericht habe zutreffend festgestellt, dass der Zeuge X (SEV) nicht den Vertretungsregelungen der Vertretungsklausel der TE/GO unterfalle und diese Vertretungsvereinbarung darüber hinaus nicht nur wirksam sein, sondern auch im Einzelfall rechtsfehlerfrei angewendet wurde. Der SEV bzw. der (Miet-)Verwalter einer Sondereigentumseinheit sei nicht „der Verwalter“ im Sinne der Vertreterklausel, denn diese erfasse ersichtlich den nach § 26 WEG bestellten WEG-Verwalter. Vertretungsbeschränkungsvereinbarungen in der GO seien grundsätzlich wirksam. Die Grenze zur Unwirksamkeit sei erst überschritten, wenn die Möglichkeit einer Vertretung gänzlich ausgeschlossen oder auf die Person des WEG-Verwalters beschränkt werde. So liege der Fall hier nicht.

Die Berufung der Beklagten (GdWE) auf die Vertretungsregelung sei auch nicht treuwidrig, da es der Klägerin zumutbar gewesen sei, eine der zulässigen Vertretungspersonen zu bevollmächtigen. Selbst wenn – einmal unterstellt – aufgrund der konkreten Umstände sämtliche zulässigen Vertreter entweder nicht vorhanden oder deren Einschaltung für die Klägerin unzumutbar sei, sei es ihr zumutbar gewesen, einen Rechtsanwalt zu bevollmächtigen.

Fazit für den Verwalter

Auftragsgegenstand der SEV ist die Verwaltung, insbesondere Vermietung, von Sondereigentum. Der WEG-Verwalter hingegen kümmert sich als bestelltes Organ der GdWE um das gemeinschaftliche Eigentum. SEV und WEG-Verwaltung können und dürfen im Grundsatz in derselben Hand liegen. Ist das der Fall und wird eine Stimmrechtsvollmacht erteilt, handelt der Verwalter insoweit in seiner Eigenschaft als WEG-Verwalter.

In der Gemeinschaftsordnung (GO) vereinbarte Vertretungsbeschränkungen sind grundsätzlich wirksam. In der Regel ist es daher auch nicht zu beanstanden, wenn die GdWE bzw. ihr Verwalter die wirksame Regelung anwendet und einen unzulässigen Vertreter der Versammlung verweist. Durch Beschluss können Vertretungsbeschränkungen nicht eingeführt werden. Mangels Beschlusskompetenz ist der Beschluss nichtig. Ausnahmsweise gilt anderes, wenn eine vereinbarte Öffnungsklausel eine solche Beschlussfassung zulässt.

Wäre Herr X als Rechtsanwalt zugelassen, hätte er die Klägerin vertreten dürfen, und zwar nicht in seiner Eigenschaft als SEV, sondern als zur Berufsverschwiegenheit verpflichteter Dritter.

Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte

Ist ein Wohnungseigentümer ledig und mit dem WEG-Verwalter sowie allen übrigen Miteigentümern zerstritten, kann es im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein, wenn die GdWE auf die Vereinbarung in der GO pocht und einen anderen Vertreter ablehnt. In der vorliegenden Klausel war auch ein Rechtanwalt eine zulässige Vertretungsperson. In derartigen Fällen ist es dem Wohnungseigentümer in der Regel zumutbar, die damit verbundenen Anwaltskosten aufzubringen, um für die zulässige Vertretung zu sorgen. Dies kann kostspielig werden, wenn Rechtsanwälte die Stimmrechtsvertretung nur nach Stundenaufwand anbieten und viele Tagesordnungspunkte auf der Tagesordnung stehen, etwa bei der jährlichen ordentlichen Eigentümerversammlung.

Die Beauftragung eines SEV führt zu einem Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Sondereigentümer. Die SEV-Vergütung trägt der Sondereigentümer. Zusätzlich hat er mit dem Hausgeld seinen Anteil an der Verwaltervergütung des WEG-Verwalters zu tragen.

Fazit für die Gemeinschaft

Höchstrichterlich ungeklärt ist, ob über die Zulassung eines sonstigen Dritten als Vertreter in der Versammlung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen entschieden werden darf oder ob bereits das Veto eines einzelnen Eigentümers dazu führt, dass die fragliche Person die Versammlung verlassen muss. Die überwiegende Meinung betrachtet diese Frage (Grundsatz der Nichtöffentlichkeit) als Angelegenheit der ordnungsmäßigen Verwaltung, so dass Mehrheitsmacht eingeräumt ist.

Die Vertretung dient der Aufgabenteilung und Arbeitserleichterung, so das der Stimmrechtsgeber nicht selbst in der Versammlung anwesend sein darf. Nehmen Sondereigentümer und ein Dritter an der Versammlung teil, liegt kein Fall der Vertretung, sondern der Beratung vor. Diese ist grundsätzlich unzulässig, da die Beratung vor oder nach der Versammlung zumutbar ist.

Wie wäre es nach dem neuen WEG 2020 (WEMoG)?

Der Fall war nach neuer Gesetzeslage (WEMoG) zu beurteilen, da die Versammlung nach dem 1.12.2020 stattfand. In der GO war die Schriftform für die Vollmachtserteilung vereinbart. Nach § 25 Abs. 3 WEG genügt die Textform. Höchstrichterlich ist ungeklärt, wie in derartigen Fällen Altvereinbarungen auszulegen sind. Wünschenswert ist, dass sich das neue Gesetz durchsetzt und auf die Schriftform verzichtet werden kann.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt
W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg
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