WEG-Recht

Verzichtserklärung beendet nicht automatisch den zugrundeliegenden Rechtstreit

Mit Urteil vom 23.07.2014 zum gerichtlichen Aktenzeichen 318 S 19/14 (veröffentlicht unter anderem in der ZMR 2015, Seite 45) entschied das Landgericht Hamburg, dass ein Anfechtungskläger sein Rechtsschutzbedürfnis an der Klage nicht dadurch verliert, dass die Beklagten im Prozess erklären, auf die Recht aus dem angegriffenen Beschluss zu verzichten.

Der Fall:

Die Versammlung hat mit Mehrheit einen Sanierungsbeschluss samt Finanzierung gefasst. Die Versammlung war nicht ordnungsmäßig einberufen worden, außerdem war die Nichtöffentlichkeit möglicherweise nicht gewahrt. In der Versammlung lagen zwei unterschiedliche Handwerkerangebote vor. Im Beschluss heißt es, dass „die“ Sanierungsarbeiten ausgeführt werden. Der Kläger hat diese formellen und inhaltlichen Angriffe gegen den Beschluss in seiner Klagebegründung vorgetragen. Die Beklagten haben über ihren Anwalt daraufhin in der Klageerwiderung erklären lassen, auf die Rechte aus dem angefochtenen Eigentümerbeschluss verzichten zu wollen. Sie meinen, dass sich die Anfechtungsklage hierdurch in der Hauptsache erledigt habe und der Kläger kein Rechtsschutzinteresse mehr habe.

Die Entscheidung:

Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Landgericht Hamburg hingegen änderte das erstinstanzliche Urteil ab und erklärte den Beschluss für ungültig. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage war trotz der „Verzichtserklärung“ nicht entfallen. Der „Verzicht“ sei hinsichtlich der Zulässigkeit und Begründetheit der Anfechtungsklage lediglich als rechtliches Nullum anzusehen. Der von den Beklagten gezogene Vergleich, dass der Verzicht auf die Rechte aus einem Eigentümerbeschluss ebenso die Erfüllung des Anfechtungsbegehrens darstelle, wie beispielsweise die Bezahlung einer eingeklagten Geldforderung die Erfüllung des Zahlungsbegehrens, sei unzutreffend. Denn das Anfechtungsbegehren, das auf die gerichtliche Ungültigerklärung des Beschlusses und mithin eine Rechtsgestaltung gerichtet sei, könnten die Beklagten allenfalls dadurch erfüllen, dass sie den angefochtenen Mehrheitsbeschluss mit Wirkung ex tunc (also rückwirkend) wieder aufheben. Die Verzichtserklärung der beklagten Wohnungseigentümer auf die Rechte aus dem angefochtenen Beschluss sei rechtlich demgegenüber lediglich als Angebot an den Kläger zu qualifizieren, sich gerichtlich oder außergerichtlich darauf zu vergleichen, dass der Beschluss nicht ausgeführt werden soll.

Nachdem das Landgericht Hamburg somit die Zulässigkeit der Anfechtungsklage bejahte, stellte es in der Sache selbst fest, dass der Beschluss auch inhaltlich unklar und daher für ungültig zu erklären sei. Denn angesichts von zwei vorliegenden Handwerkerangeboten hätte aus dem Beschlussinhalt hervorgehen müssen, welches Angebot angenommen wurde.

Fazit für den Verwalter:

Sanierungsbeschlüsse inhaltlich präzise zu beschreiben, gehört zu den notwendigen Grundkenntnissen eines professionellen Verwalters. Gerade dann, wenn wie hier unterschiedliche Angebote vorliegen, muss aus dem Beschlussantrag klar und eindeutig hervorgehen, welches Angebot (Name, Datum, Auftragssumme) beauftragt wird. Sind Eventualpositionen angeboten, ist klarzustellen, welche davon beauftragt werden. Ein Profiverwalter sollte hier stets mit der erforderlichen Sorgfalt und Gründlichkeit vorgehen, um unerfreuliche Ergebnisse zu verhindern. Manche Gerichte legen dem Verwalter sogar persönlich die Prozesskosten auf, wenn Sanierungsbeschlüsse inhaltlich unklar und unbestimmt sind (vgl. dazu die sehr gefährliche Vorschrift des § 49 Abs. 2 WEG).

In der Praxis erlebt man es nicht selten, dass die Beklagten bei einer aussichtsreichen Anfechtungsklage entgegnen, auf Rechte aus dem angefochtenen Beschluss zu verzichten. Teils wird dies sogar vom Verwalter in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll des Gerichts erklärt. Verwalter sollten derartige Erklärungen tunlichst unterlassen. Dazu sind sie nicht nur ohne einen entsprechenden Beschluss der Eigentümer nicht legitimiert. Vielmehr kann sich der Verwalter schadensersatzpflichtig machen, wenn er entgegen seiner gesetzlichen Pflicht aus § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG mehrheitlich gefasste Beschlüsse nicht in die Tat umsetzt (vgl. dazu etwa BGH, 05.12.2014 – V ZR 5/14, Rn. 18 mit weiteren Hinweisen auf Fundstellen aus Rechtsprechung und Literatur).

Dr. Jan-Hendrik Schmidt

W•I•R Breiholdt Nierhaus Schmidt Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft Hamburg

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