21.07.2023 Ausgabe: 5/23

Zeit, zu handeln!

Der Sanierungsdruck durch neue Auflagen steigt. Was jetzt zu tun ist, um energetische Sanierungen anzustoßen.

Die gesetzlich in Deutschland bis zum Jahr 2045 vorgeschriebene Klimaneutralität des Gebäudebe­stands wird derzeit durch geplante harte Vorgaben der Bundesregierung und der Europäischen Union für alle Immobilienverwaltungen konkret. Etwa jede zweite der rund zehn Millionen Wohnungen in Eigentümergemein­schaften ist sanierungsbedürftig. Gleichzeitig gaben in einer aktuellen Blitzumfrage des VDIV Deutschland über 90 Pro­zent der Verwaltungen an, dass die Erhaltungsrücklagen in den von ihnen betreuten Liegenschaften nicht ausreichen und erforderliche Sonderumlagen nicht durchsetzbar sind. Können Fördermittel ein Lösungsansatz sein?

Das steht an.

Heizen mit Gas und Öl ist seit dem russischen Krieg gegen die Ukraine erheblich teurer geworden. Zusätzlich werden durch den zukünftigen nationalen und EU-weiten Emis­sionshandel die Kosten für fossile Heizungen jedes Jahr deutlich steigen. Zu alldem plant das EU-Parlament, dass Wohngebäude bis zum Jahr 2030 zunächst die Energie-effizienzklasse E und bis 2033 mindestens D erreichen müssen.

Mit der anstehenden zweiten Novelle des Gebäudeenergie-gesetzes (GEG) möchte die Bundesregierung den Umstieg auf erneuerbare Energien beim Heizen und bei der Warmwasser-bereitung gesetzlich verankern und so die Dekarbonisierung des Wärmesektors einleiten. Konkret soll derzeit ab 1. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Den Mitte Juni vereinbarten „Leitplanken“ zufolge sollen die Regelungen zur 65-Prozent-EE-Pflicht nach Verabschiedung der Novelle für Bestandsgebäude erst dann gelten, wenn eine kommunale Wärmeplanung vorliegt. Damit ist derzeit in Großstädten bis 2026 und in Kleinstädten bis 2028 zu rechnen. Wo noch keine Wärmeplanung vorliegt, sollen demnach auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Januar 2024 zunächst weiterhin Gasheizungen eingebaut werden dürfen, wenn diese auf Wasserstoff umrüstbar sind. Sieht die Wärmeplanung kein „klimaneutrales Gasnetz“ vor, sollen Gasheizungen nur dann eingebaut werden dürfen, wenn sie zu 65 Prozent mit Biomasse oder nicht leitungsgebundenem Wasserstoff betrieben werden. Dies ist im Bestand in vielen Fällen auch mittelfristig wenig realistisch.

Herausforderung für Immobilienverwaltungen

Selbst wenn all diese Regelungen verzögert und abge­schwächt in Kraft treten werden, bleiben die Herausforde­rungen für Immobilienverwaltungen enorm. Fördermittel können nur ein kleiner Teil der Lösung sein, sollten aber bekannt gemacht und eingesetzt werden. Wie sollten Im­mobilienverwaltungen vorgehen?

Wie künftig gefördert werden soll, ist noch nicht abschlie­ßend geklärt. Derzeit gilt: Erreicht ein Gebäude einen Effizienzhausstandard, gewährt die KfW besonders günsti­ge Darlehenszinsen – ab 0,6 Prozent p. a. – und zusätzlich Tilgungszuschüsse, bis maximal 45 Prozent bei Erreichen des höchsten Effizienzstandards. Mit bis zu 35 Prozent bezuschusst das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhr­kontrolle (BAFA) Einzelmaßnahmen wie den Heizungstausch. Zusätzlich gibt es manchmal Landesmittel.

Professionelle Beratung hinzuziehen

Eine Ersteinschätzung der wichtigsten Effizienzmaßnahmen erstellen die Verbraucherzentralen oder der „Sanierungskonfigurator“ des Bundesmi­nisteriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) kosten­günstig. Sinnvoll ist es jedoch, frühzeitig einen bei der Deut­schen Energie-Agentur (dena) gelisteten Energieeffizienz-berater einzuschalten, der die erforderlichen Berechnungen durchführt, die Umsetzung begleitet, später zwingend alle Bestätigungen ausfüllen muss und dessen Kosten zu 50 Pro­zent gefördert werden.

Der Energieberater hilft auch bei der gemeinsamen Ent­scheidung, ob eher die Um­setzung von Einzelmaßnahmen wie eine Dämmung oder der Heizungstausch sinnvoller ist oder die Komplettsanierung zum Effizienzhaus. Je schlech­ter die Ausgangslage eines Ge­bäudes ist und je höher der erreichte Effizienzhausstan-dard, desto höher fällt auch die Förderung aus.

Trotz Unwägbarkeit Entscheidungen vorbereiten

Angesichts der Unsicherheit, wie energetische Auflagen und die Förderlandschaft speziell für Eigentümergemeinschaften künftig aussehen und wie sich Baukosten sowie die Engpässe bei Material und Fachperso­nal entwickeln, fällt es schwer, Entscheidungen zu treffen. Bestandsaufnahmen, Sa­nierungsziele und Beschlussfassungen der Eigentümer­gemeinschaft sollten dennoch zügig vorbereitet werden.

Wie man die Dringlichkeit von Maßnahmen angesichts des Klimawandels einschätzt und ob alle Maßnahmen wirtschaftlich oder ökologisch wirklich sinnvoll sind, ist vor dem Hintergrund der gesetzlich festgelegten Klimaneutralität bis 2045, nüchtern betrachtet, vermut­lich weniger relevant. Verwaltungen und Eigentümer­gemeinschaften sollten jedenfalls jetzt handeln und gemeinsam die für ihre Immobilie effizientesten Lö­sungen finden.

 

Touché, Burkhard

Dr. Burkhard Touché ist Abteilungs­direktor Vertrieb bei der KfW ­Bankengruppe.