18.04.2023 Ausgabe: 3/23

WEG-Recht: Umsetzung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer nach neuem Recht

(BGH, Urteil vom 16.12.2022 – Az. V ZR 263/21)

Das Thema

Veranlasst durch das Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) zum 1. Dezember 2020, ändert der Bundesgerichtshof (BGH) mit der vorliegenden Entscheidung seine Rechtsprechung zu der Frage, wen die Pflicht zur Durchführung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer trifft.

Der Fall

Die Parteien bilden eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Der Kläger ist Eigentümer einer im Erdgeschoss gelegenen Wohnung, die u. a. von einem Stahlpodest aus über eine Tür betreten werden kann, die keine Türschwelle hatte und von außen abgeschlossen werden konnte. Nachdem die Tür erneuerungsbedürftig wurde, fassten die Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung vom 31. Januar 2017 den folgenden Beschluss: „Die Eigentümerversammlung beauftragt die Eigentümergemeinschaft, vertreten durch den Verwalter, drei Angebote für die Erneuerung der Terrassentür (…) einzuholen. Der optische Eindruck soll erhalten bleiben. (…) Der Vertrag soll in Abstimmung mit dem Beirat mit dem auskömmlichsten Anbieter abgeschlossen werden (…).“

Der damalige Verwalter setzte den Beschluss um. In der Folge wurde in der Wohnung des Klägers eine Terrassentür mit einer zehn Zentimeter hohen Türschwelle eingebaut, die nicht von außen abgeschlossen werden kann. Der Kläger ist mit dieser Ausführung nicht einverstanden. Die Eigentümerversammlung hat jedoch seinen Antrag, einen Beschluss dahingehend zu fassen, dass der Verwalter den Auftrag zum Einbau einer ebenerdigen und von außen abschließbaren Tür erteilt, am 22. Mai 2018 abgelehnt.

Mit der noch im Jahr 2018 erhobenen und gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichteten Klage beantragt der Kläger im Hauptantrag eine Beschlussersetzung dahingehend, dass anstelle der Eigentümerversammlung der Verwalter aus den ihm vorliegenden Vergleichsangeboten eine von außen abschließbare Außentür/Terrassentür auswählt und mit der Umsetzung beauftragt wird. Mit dem Hilfsantrag erstrebt er eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Entscheidung, nach welcher die notwendigen und gebotenen Schritte unternommen werden, um die 2017 eingebaute Tür durch eine Terrassentür zu ersetzen, die in ihren Maßen und Sicherheitsstandards mindestens der ursprünglich vorhandenen Tür entspricht.

Das Amtsgericht hat die Klage zurückgewiesen; die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter. Die Revision des Klägers hatte teilweise Erfolg, insoweit die Klage in dem Hilfsantrag betroffen ist. Nach der Entscheidung des BGH ist die Abweisung der Klage im Hauptantrag rechtmäßig, weil die Beschlussersetzungsklage nach § 44 Abs. 1 S. 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) im Hauptantrag zwar zulässig, aber unbegründet sei.

Die Beschlussersetzungsklage ist allerdings gegen den richtigen Antragsgegner – gegen die übrigen Wohnungseigentümer – erhoben worden. Zwar sei für eine auf Beschlussersetzung gerichtete Klage eines Wohnungseigentümers gemäß § 44 Abs. 2 S. 1 WEG in der Fassung des am 1. Dezember 2020 in Kraft getretenen WEMoG vom 16. Oktober 2020 die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer der richtige Klagegegner. Für die, wie hier, bis zum 30. November 2020 anhängig gewordenen Verfahren nach § 21 Abs. 8 WEG a. F. ist aber in analoger Anwendung von § 48 Abs. 5 WEG das bisher geltende Verfahrensrecht anzuwenden und die Klage auch weiterhin gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richten (vgl. hierzu ausführlich bereits BGH, Urteil vom 25.2.2022 – Az. V ZR 65/21, besprochen in VDIVAKTUELL 2/23, S. 36 f.).

Der Kläger habe jedoch keinen Anspruch auf die mit dem Hauptantrag verfolgte Beschlussersetzung. Die Beschlussersetzungsklage dient – nach altem sowie nach neuem Recht – der gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs des Wohnungseigentümers auf nach § 18 Abs. 2 WEG nachordnungsmäßige Verwaltung. Die Klage ist daher dann begründet, wenn der klagende Wohnungseigentümer einen Anspruch auf den seinem Rechtsschutzziel entsprechenden Beschluss hat, weil nur eine Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Dafür kommt es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung und damit auch in Übergangsfällen auf das neue materielle Recht an. Auch nach dem seit 1. Dezember 2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht ist eine gerichtliche Beschlussersetzung grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die verlangte Maßnahme – wie hier – bereits Gegenstand einer positiven Beschlussfassung ist, die von den Wohnungseigentümern nicht angefochten wurde, weil in einem solchen Fall eine gerichtliche Entscheidung schon nicht notwendig im Sinne des § 44 Abs. 1 S. 2 WEG ist. Hier ist – nach gebotener Auslegung des Beschlusses – aber bereits in der Eigentümerversammlung vom 31. Januar 2017 beschlossen worden, dass der optische Eindruck der Tür erhalten bleiben soll. Die Tür sollte also in der Weise erneuert werden, dass der Verwalter drei Angebote über eine ebenerdige und von außen abschließbare Tür einholt.

Weil die in Vollziehung des Beschlusses eingebaute Tür aber in ihrer Funktionalität und ihren Maßen nicht der alten Tür entspricht, bedeutet dies, dass der Verwalter den Beschluss nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat. Die Klage hätte sich – so der BGH – in ihrem Hauptantrag deswegen auf (ordnungsgemäße) Umsetzung des Beschlusses richten sollen, für welche nach dem maßgeblichen neuen Recht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer passivlegitimiert wäre. Nach dem seit 1. Dezember 2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht trifft die Pflicht zur Umsetzung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer nicht mehr primär den Verwalter, sondern die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, der die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums im Außen- und Innenverhältnis obliegt (§ 18 Abs. 1 WEG). Der Verwalter ist insoweit lediglich als internes Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für die Umsetzung der Beschlüsse zuständig. Ein pflichtwidriges Verhalten des Verwalters wird der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer analog § 31 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zugerechnet.

Unabhängig davon hält jedoch die Abweisung der Klage im Hilfsantrag einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit diesem will der Kläger erreichen, dass die nach Ermessen des Gerichts notwendigen und gebotenen Schritte unternommen werden, um die 2017 eingebaute Tür durch eine Terrassentür zu ersetzen, die in ihren Maßen und Sicherheitsstandards mindestens der ursprünglich vorhandenen Tür entspricht. Nachdem hier der Inhalt des am 31. Januar 2017 gefassten Beschlusses zwischen dem Kläger einerseits und den beklagten Wohnungseigentümern und dem Verwalter andererseits streitig ist, wird das mit dem Hilfsantrag verfolgte Rechtsschutzziel des Klägers erreicht, wenn dieser Streit über den Inhalt des gefassten Beschlusses beseitigt und klargestellt wird, dass die erneuerte Tür ebenerdig und von außen abschließbar sein soll. Ein solch klarstellender Beschluss ist von dem Wortlaut des Hilfsantrags umfasst. Die Beschlussersetzungsklage mit dem Ziel, einen entsprechenden Klarstellungsbeschluss zu erlassen, ist auch begründet, weil aufgrund des Streits ein Bedürfnis für eine Klarstellung besteht.

Verwalterstrategie

Vor Inkrafttreten des WEMoG zum 1. Dezember 2020 traf die Pflicht, Beschlüsse der Wohnungseigentümer durchzuführen, den Verwalter. Ein Wohnungseigentümer konnte vom Verwalter dementsprechend verlangen, dass er seine Pflicht zur Durchführung von Beschlüssen erfüllt, und diesen Anspruch ggf. im Klageweg durchsetzen (vgl. BGH, Urteil vom 8.6. 2018 – Az. V ZR 125/17). Seit der Gesetzesänderung im Dezember 2020 trifft diese Pflicht nunmehr die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer selbst. Dies stellt der BGH nun in Abgrenzung zu seiner früheren Rechtsprechung erstmals fest. Danach kann ein entsprechender Anspruch nicht mehr klageweise gegen den Verwalter geltend gemacht werden. Damit spricht sich der BGH gegen etwaige Ansprüche des einzelnen Wohnungseigentümers – sei es direkt, sei es im Wege der Rechtsfigur eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter – gegen den Verwalter aus. Vielmehr muss sich der einzelne Wohnungseigentümer an die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer selbst halten. Der Verwalter bleibt jedoch als internes Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für die Umsetzung der Beschlüsse zuständig. Ein etwaiges pflichtwidriges Handeln des Verwalters ist der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer – so der BGH – analog § 31 BGB zurechenbar. Verletzt der Verwalter seine Pflichten, kommen Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümer gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aus § 280 Abs. 1 BGB in Betracht.

Piekut, Dr. Susanne Schießer & Piotr

DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungs­eigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

PIOTR PIEKUT
Der Rechtsanwalt ist am Berliner Standort derselben Kanzlei u. a. im Miet- und Grundstücksrecht tätig. www.asd-law.com