26.05.2023 Ausgabe: 4/23

WEG-Recht: Heiz- bzw. Warmwasserkostenabrechnung nach unterbliebener Vorerfassung gemäß § 5 Abs. 7 Heizkostenverordnung

(BGH, Urteil vom 16.9.2022 – Az. V ZR 214/21)

Das Thema

Aufgrund der Förderung einer sparsamen Energieverwendung als wesentlichem Regelungszweck der Heizkostenverordnung (HKVO) kann es bei unterbliebener Vorerfassung ordnungs­mäßiger Verwaltung entsprechen, eine Heiz- bzw. Warm-wasserkostenabrechnung ausnahmsweise auf Grundlage einer Differenzberechnung vorzunehmen.

Der Fall

Die Parteien bilden eine Gemeinschaft der Wohnungseigen­tümer. Der Wärmeverbrauch wird in den Einheiten zum Teil durch Wärmemengenzähler, zum Teil durch Heizkostenverteiler ermittelt. Wärmemengenzähler erfassen den Wärmeverbrauch mengenmäßig, während Heizkostenverteiler nicht den Wär­meverbrauch messen, sondern den anteiligen Verbrauch im Verhältnis zum Gesamtverbrauch festlegen. Die Anlage verfügt nicht über eine Vorrichtung zur Vorerfassung des anteiligen Gesamtverbrauchs der jeweils gleich ausgestatteten Einheiten. In der Eigentümerversammlung vom 18. Dezember 2017 wurde unter TOP 2 ein Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung für das Jahr 2016 gefasst.

Der Kläger wendet sich gegen die Verteilung der Heizkosten in den Einzelabrechnungen. Auf die Anfechtungsklage hin hat das Amtsgericht den Beschluss über die Verteilung der Heiz­kosten für ungültig erklärt. Die Berufung der Beklagten war erfolglos. Mit der zugelassenen Revision wollen die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage erreichen. Die Revision hat im Wesentlichen Erfolg. Die Ansicht des Be­rufungsgerichts, wonach der Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung hinsichtlich der Verteilung der Heizkos­ten in den Einzelabrechnungen ordnungsgemäßer Verwaltung widerspreche, ist rechtlich unzutreffend. Zutreffend geht das Berufungsgericht zwar davon aus, dass allein eine den Anfor­derungen der HKVO genügende Abrechnung den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, sowie dass die hier teilweise anhand des Verbrauchs vorgenommene Verteilung der Heizkosten schon deswegen gegen die Bestimmung des § 5 Abs. 7 HKVO verstößt, weil die dort vorgeschriebene Vorerfassung unterblieben ist. Die Vorerfassung der Ver­brauchsanteile der unterschiedlichen Nutzergruppen – die für den Fall vorgeschrieben ist, dass der Verbrauch der von einer zentralen Heizungs- oder Warmwasserversorgungsanlage versorgten Nutzer nicht mit gleichen Ausstattungen erfasst wird – war hier mangels separater Wärmemengenzähler für die Vorerfassung der Verbrauchsmengen der unterschied­lichen Nutzergruppen schon technisch nicht möglich. Wegen Zeitablaufs kann sie auch nicht nachgeholt werden, sodass der Verstoß nicht heilbar ist.

Rechtlich fehlerhaft ist jedoch die Erwägung, wonach eine fehlende Vorerfassung im Wohnungseigentumsrecht zur Folge habe, dass eine Abrechnung zu erstellen sei, bei der – sofern eine Schätzung nach § 9a Abs. 1 HKVO, wie hier mangels Vor-erfassung, ausscheide – die Heizkosten nach dem Flächen­maßstab gemäß § 9a Abs. 2 HKVO zu verteilen sind.

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist bis jetzt nicht entschieden, wie im Wohnungseigentumsrecht in derartigen Fällen zu verfahren ist, in denen eine der HKVO entsprechende Abrechnung mangels Vorerfassung des Wär­meverbrauchs der jeweiligen Nutzergruppen nicht mehr erstellt werden kann. Die Erwägungen des für das Wohnraummietrecht zuständigen Senats des BGH, dass nach dem Zweck der HKVO grundsätzlich jede den Verbrauch des Nutzers einbeziehende Abrechnung einer ausschließlichen Abrechnung nach Wohn­flächen vorzuziehen sei, sind aufgrund unterschiedlicher Interessenlagen auf das Wohnungseigentumsrecht nicht übertragbar.

Gleichwohl kann es aber im Wohnungseigentumsrecht, bei unterbliebener Vorerfassung, ordnungsmäßiger Ver­waltung entsprechen, eine Abrechnung im Wege einer Differenzberechnung vorzunehmen. Nach dem insoweit maßgeblichen Regelungszweck der HKVO – dem beab­sichtigten Anreiz zur sparsamen Energieverwendung – ist im Ergebnis davon auszugehen, dass bei einer Wohnungs-eigentumsanlage mit verschiedenen Ausstattungen zur Verbrauchserfassung, bei der der anteilige Verbrauch einer oder mehrerer Nutzergruppen entgegen § 5 Abs. 7 HKVO nicht mit einem separaten Wärmemengenzähler vorerfasst worden ist, die Abrechnung der Heizkosten in der Regel eher ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, wenn die Ermittlung des Verbrauchs im Wege einer rechnerisch zu­treffenden Differenzberechnung unter Berücksichtigung der ermittelten Verbrauchsdaten erfolgt, als wenn dies bei einer rein wohnflächenbezogenen Kostenverteilung bzw. einer Verteilung nach Miteigentumsanteilen der Fall wäre. Bei dieser Vorgehensweise ist zwar nicht auszuschließen, dass sich wegen nicht erfasster Wärmeverluste etwaige Verteilungsfehler vergrößern und einseitig zulasten einer Nutzergruppe auswirken können. Das ist aber regelmäßig hinzunehmen, da auch die rechnerische Ermittlung auf dem tatsächlichen Nutzerverhalten beruht und nach dem Zweck der HKVO einer Abrechnung nach dem Flächenmaßstab grundsätzlich vorzuziehen ist. Die Wohnungseigentümer können zudem die Auswirkungen möglicher Verteilungs­fehler dadurch begrenzen, dass sie gemäß § 6 Abs. 2 S. 2 HKVO die Kosten nicht vollständig nach dem Verhältnis der erfassten Anteile am Gesamtverbrauch aufteilen.


VERWALTERSTRATEGIE

Zu beachten ist, dass die vorliegende Entscheidung des BGH eine Ausnahme für den Fall behandelt, dass die gemäß § 5 Abs. 7 HKVO erforderliche Vorerfassung unterbliebt und aufgrund Zeitablaufs nicht heilbar ist. Nur dann kann es ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, eine Abrechnung aufgrund einer Differenzberechnung der erfassten Verbrauchsmengen vorzu­nehmen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in weiteren Punkten ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Abrechnung enthoben ist. Grundsätzlich müssen im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander entstandene Kosten zwingend nach dem zutreffenden Schlüssel verteilt werden. Eine Ausnahme ist nur insoweit und in dem Umfang geboten, als die Vorerfassung des Verbrauchs der unterschiedlichen Nutzergruppen nicht nachholbar ist. Die Abrech­nung muss also im Übrigen der HKVO entsprechen und die vorgenommene Differenzermittlung ihre Grundlage in dem tatsäch­lich erfassten Verbrauch haben sowie rechnerisch zutreffend sein.


 

Piekut, Dr. Susanne Schießer & Piotr

DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungs­eigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

PIOTR PIEKUT
Der Rechtsanwalt ist am Berliner Standort derselben Kanzlei u. a. im Miet- und Grundstücksrecht tätig. www.asd-law.com