18.10.2023 Ausgabe: 7/23

Revolutionäre Energiezukunft

Wie bidirektionales Laden in der Immobilienwirtschaft finanzielle Gewinne erwirtschaften kann

Dass es funktioniert, ist längst bewiesen: Pilot­projekte weltweit haben gezeigt, dass das bidirektionale Laden von Elektroautos, auch als V2G für Vehicle-to-Grid bekannt, vielfältige Vorteile mit sich bringt, von denen auch die Immobilien­wirtschaft profitieren kann. Zu den wichtigsten Pluspunkten gehören die Stabilisierung des Stromnetzes durch den Ausgleich von Lastspitzen, die Erhöhung des Anteils an erneuerbarer Energie im Netz sowie die hohen finanziellen Anreize für Endkunden. Immobilieneigentümer können mit entsprechend ausgerüsteter Ladeinfrastruktur in ihren Objekten dieses Potenzial für eine klimafreundlichere Energieversorgung sowie günstigere Elektromobilität voll ausschöpfen.

Feldversuch zeigt finanzielles Potenzial

Beispielhaft sei hier der Feldversuch erwähnt, den The Mobility House im ersten Halbjahr 2022 gemeinsam mit Audi am EUREF-Campus in Berlin durchführte. Dort wurde in einem Teilprojekt erprobt, wie hoch die Erlösmöglichkeiten von bidirektional ladenden E-Autos im Energie­markt unter realen Bedingungen ausfallen. Dafür wurden die 18 Fahrzeugbatterien des Stationärspeichers am Campus wie mobile E-Autos behandelt, mit Pendler-typischem Fahrprofil: 18.250 km Fahrleistung im Jahr, bei maximal elf Kilowatt Be- und Entladeleistung. Hochgerechnet auf ein Jahr konnten dabei pro Fahrzeug Erlöse im vierstelligen Euro-Bereich erwirtschaftet werden. Berücksichtigt man etwaige Abzüge in Form von u. a. steuerlichen Abgaben, so resultieren daraus für Endkunden mögliche Ein­sparungen in Höhe von mindestens 650 Euro. Der Betrag setzt sich zusammen aus Erträgen an der Strombörse und den Einsparungen durch gezieltes Laden ausschließlich zu Zeiten, wenn Strom besonders günstig ist. Finanziell interessant ist die Sache auf jeden Fall – insbesondere dann, wenn der Gesetzgeber die Regulatorik anpasst und u. a. die Doppelbesteuerung beim Ein- sowie Ausspeisen von Energie aufgehoben hat.

Keine Nachteile zu erwarten

Nachteile brauchen E-Fahrzeughalter indes nicht zu be­fürchten: Sie können flexibel und individuell bestimmen, wie viel Kapazität sie für V2G-Dienste hergeben und welcher Akku-Füllstand nicht unterschritten werden darf, damit ihr Mobilitätsbedarf stets erfüllt wird. Auch ein vor­zeitiger Verschleiß der Batterie ist nicht zu erwarten. Zum einen, weil die Belastung der Batterien im Vergleich zum Ampelstart, der Rekuperation, also der Rückgewinnung, oder dem besonders schnellen DC-Laden sehr gering ausfällt. Zum anderen, weil die zusätzlichen Lade- und Entlade-Zyklen für Energiemarktanwendungen selbst zusammen mit den Zyklen für das Fahren noch deutlich innerhalb der Garantieleistung der Fahrzeughersteller liegen.

Wann fällt der Startschuss?

Was noch fehlt, damit V2G Realität werden kann, ist allein der gesetzliche und regulatorische Rahmen. Die Branche rechnet damit, dass der Startschuss fürs bidirektionale Laden spätestens im kommenden Jahr erfolgt. Auf Anbieterseite scharren etliche Unterneh­men schon mit den Hufen. Viele bekannte Hersteller von Ladestationen haben bereits V2G-Wallboxen entwickelt und betreiben sie in Pilotprojekten. Auch die Autoindustrie steht in den Startlöchern: Mehr als zehn Hersteller haben V2G-fähige Elektroautos bereits im Programm oder zumindest angekündigt. Mit vielen dieser Unternehmen hat The Mobility House in den vergangenen Jahren zusammengearbeitet, damit bidirektionales Laden vom Start weg sicher, zuverlässig und für Nutzer kinderleicht funktioniert – sei es im Einfamilienhaus oder in der Tiefgarage größerer Im­mobilien. Und es wird noch konkreter: Gemeinsam mit Mobilize, einer Marke der Renault Group, bietet The Mobility House z. B. ab 2024 das erste kommerzielle Vehicle-To-Grid-Produkt an, zunächst in Frankreich, Deutschland und Großbritannien.


Praxistipp

Schon jetzt haben elektrische Fahrzeuge einen Anteil von 20 bis 25 Prozent an den Neuzulassungen. Zudem sollen ab dem Jahr 2035 keine Verbrennermotoren mehr neu zugelassen werden - eine Entwicklung, die die Bedeutung von Ladeinfrastruktur für die Zukunftsfähigkeit von Immobilien unterstreicht. Für die Installation von Ladeinfrastrukturen bedeutet das Folgendes:

  • Ladestationen aufbauen, die den offenen OCPP1.6 Standard verwenden, über LAN in bestehende Systeme eingebunden werden sowie bei zukünftigen Erweiterungen mitwachsen können (V2G. Plug&Charge, Abrechnungssysteme, Photovoltaik, Speicher, dynamische Stromtarife etc.).
  • Netzanschlussleistung fair zwischen allen Parteien aufteilen, sodass auch später hinzukommende E-Fahrzeughalter eine Lademöglichkeit erhalten können.
  • Rechtssichere und komfortable Abrechung realisieren, damit der Strom Kilowattstunden - genau zugeordnet werden kann
Neumann, Sven

Key Account Manager beim Technologieunternehmen The Mobility House, das Lösungen für den Einstieg in die Elektromobilität anbietet.
www.mobilityhouse.com