19.04.2024 Ausgabe: 3/24

Pfusch beim Sanierungsprojekt

Zur Bauschadenregulierung für WEG-Verwaltungen

Sanierungsstau – ein Wort mit großem Potenzial auf den Titel „Unwort des Jahres“. Zugleich ist es aber auch Ausdruck sowohl der aktuellen als auch der künftigen Lage im Wohnungsbau. Denn es mangelt – insbesondere in den Ballungs­gebieten – nicht nur generell an Wohnraum, sondern bereits am ordnungsgemäßen Zustand der Mehrheit der Bestandsgebäude, allen voran der Mehrfamilienhäuser in rechtlicher Gestalt der Wohnungseigentümergemein-schaften. Ob vereinzelt oder in einer großen Welle von Maßnahmen steht also eine Vielzahl von Sanierungen, Um-, An- und Neubauten am bereits vorhandenen Altbau an, um die Objekte in einen adäquaten Zustand zu bringen und zukunftssicher zu machen.

Wo gehobelt wird, fallen aber bekanntlich auch Späne. Soll heißen, dass im Laufe solcher Bauvorhaben fast schon per Lebensgesetz immer mindestens ein Schadensfall pro Maßnahme eintreten wird, schlimmsten­falls ein Großschaden und noch schlimmer: gleich mehrere davon. Auf diese Situation gilt es gerade für Ver­waltungen, bestmöglich vorbereitet zu sein, um die Regulierung beim Versicherer grundsätz­lich und optimalerweise auch schnellstmöglich zu realisieren. 

Struktur der Versicherung vor Baubeginn klären

Hierbei ist zunächst einmal zwischen den Sparten Gebäude- und Bauleistungs- auf der einen sowie Haft­pflichtversicherung auf der anderen Seite zu unterscheiden. Während es bei Ersteren darum geht, dass Sachschäden am Bestandsgebäude oder der erbrachten Bauleistung einer Firma durch Gefahren wie Wasser, Feuer usw. ohne festzustellenden Verursacher als versichert gelten, umfasst die Haftpflichtversicherung diejenigen Schäden, welche durch einen bestimmten Verursacher (hier angenommen eine beteiligte Baufirma) hervorgerufen wurden.

Entweder schließt die Eigentümergemeinschaft als Bauherrin die entsprechenden Sachversicherungen ab, und jede Firma hat ihre eigene Betriebshaftpflichtver­sicherung vorzuhalten, oder das gesamte Projekt wird von der Gemeinschaft als Bauherrin unter dem Dach einer sogenannten Kombinierten Projektversicherung gebündelt, in der alle beteiligten Planer und Baufirmen in beiden Sparten mitversichert sind. In diesem Fall muss jeder Beteiligte hierfür eine vertraglich festzulegende prozentuale Umlage von seiner Auftragssumme auf die Versicherungsprämie zahlen.

Verhalten im Schadensfall

Sobald alle Feinheiten vor Baubeginn auf den Weg gebracht wurden und es losgeht, aber zu irgendeinem Zeitpunkt ein Feuer ausbricht, ein Gewerk die Leistung eines anderen Gewerks beschädigt oder ein Rohr bricht bzw. platzt und der Wasseraustritt großen Sachschaden mit Folgekosten anrichtet, geht es darum, dass die Ver­sicherungsnehmerin, also die Eigentümergemeinschaft, sich in Gestalt ihrer Verwaltung bedingungsgemäß korrekt verhält. Hierzu gehört die überwiegend bekannte unver­zügliche Schadensanzeige. Diese sollte in jedem Fall von der Verwaltung vorgenommen werden, bei einem komple­xen Sachverhalt im Zweifel mit anwaltlicher Unterstützung, um der Versicherung nicht unbewusst Argumente für Deckungsausschlüsse zu liefern. Des Weiteren gehört die Pflicht zur Schadenminimierung dazu, d. h. es müssen parallel zur Schadensanzeige unverzüglich Maßnahmen ergriffen werden, um eine Ausweitung des Schadens zu verhindern, z. B. Abpumpen und Trocknung bei einem Wasserschaden. Darüber hinaus ist bei einer Schädigung durch Dritte, ob Baubeteiligter oder nicht, eine ordnungs­gemäße Haftbarhaltung an den Schädiger aufzusetzen und zu übermitteln, da erst diese den Haftpflichtschadensfall auslöst und vom Versicherer im Fall der Schadensanzeige abgefordert wird.

Die vorgenannten Verhaltensnormen werden als Obliegen­heiten bezeichnet, und deren Verletzung kann zur Regulierungskürzung führen. Daher gilt es an dieser Stelle, sehr sorgfältig zu arbeiten. Auch im Übrigen sollte man dem Versicherer den Wind aus den Segeln der Ablehnung nehmen, in dem man viel mit ihm kommuniziert und die Schadensbeseitigung fast schon in vorauseilendem Ge­horsam aktiv vorantreibt, damit es hinterher nicht heißt, es gäbe nach einem Wasserschaden ja mittlerweile Schimmel, und aus diesem Grund werde nichts reguliert (was so regelmäßig in Versicherungsbedingungen steht). Man muss die Dokumentation so aufbauen, dass der Versicherer immer informiert und sogar zu den nächsten Schritten gefragt wurde.

Abschlagszahlungen möglich

Um aber aller Etikette zum Trotz schnell an Geld zu kommen, kann die Verwaltung für die Gemeinschaft eine Abschlagszahlung gem. § 14 Abs. 2 Versicherungsver-tragsgesetz (VVG) verlangen, wenn der Versicherer nicht innerhalb eines Monats nach Schadensanzeige seine Prüfung beendet hat. Diese Zahlung muss wenigstens die Mindestschadensregulierungssumme decken. In diesem Zusammenhang ist der Hinweis wichtig, dass in alle fälligen Ansprüche gegen den Versicherer nicht nur die gesetzlichen Verzugszinsen, sondern oft auch vertraglich geregelte Zinsen i. H. v. vier Prozent über dem Basiszinssatz eingerechnet werden. Hat man einen Rechtsanwalt beauftragt, weil der Versicherer bereits in Zahlungsverzug ist, sind bei späterer Regulierung auch diese Kosten von der Versicherung zu begleichen.

Das Ombudsmann-Verfahren

Empfehlenswert und sogar von Vorteil für die Regulierung von Schäden unter 100.000 Euro, die ausdrücklich einer Eigentümergemeinschaft entstanden sind, ist der Ombudsmann für Versicherungen e. V. Dies ist eine Ver­braucherschlichtungsstelle mit gesetzlicher Grundlage aus § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG. Die Eigentümergemeinschaft ist wiederum als Verbraucher i. S. d. § 13 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anerkannt. Es handelt sich dabei um eine kostengünstige Möglichkeit, zunächst ohne ein teures und langwieriges Gerichtsverfahren zu seinem Recht zu kommen, ob ohne oder vorsorglich auch mit anwaltlicher Unterstützung. Die Versicherer halten sich regelmäßig an die Entscheidung des Ombudsmanns, und bei Streitwerten unter 10.000 Euro ist diese sogar verbindlich.

Ein Beispiel aus der Praxis

Der folgende Schadensfall konnte über das Ombudsmann-Verfahren vollständig und inklusive aller Nebenpositionen geregelt werden: Bei einem Starkregenereignis war Wasser in die mangelhaft installierte Außenleuchte der Tiefgarage einer Eigentümergemeinschaft gelaufen und löste einen Kurzschluss aus, sodass die am selben Verteilerkreis an­geschlossene Rückstaupumpe ausfiel.

Der Versicherer lehnte die Deckung des Schadens in Höhe von 35.000 Euro mit Hinweis auf die fehlende Elementarschaden-Versicherung ab, sodass die Eigentümergemeinschaft mit anwaltlicher Unterstützung das Ombudsmann-Verfahren ein­leitete. Dass eine Deckung des Kurzschlussschadens aufgrund bedingungsgemäß versicherter „sonstiger Ursachen“ vorliegt, wurde vom Ombudsmann bestätigt, und der Versicherer re­gulierte vollständig insgesamt 45.000 Euro. Die Bedingungen waren in diesem Fall mit „sonstige Ursachen“ einfach sehr weit gefasst, und da im Versicherungsrecht Unklarheiten über die Auslegung der Versicherungsbedingungen – welche als Allgemeine Geschäftsbedingungen oder kurz AGB qualifiziert sind – zulasten des Versicherers gehen, musste dieser sich der Ombudsmann-Entscheidung beugen.

Es lohnt sich also, sich nicht kleinkriegen zu lassen und dem Druck zahlungsunwilliger Versicherer zu widerstehen, wenn man einen vernünftigen Deckungsansatz verfolgt.

Zarya, Igor

Rechtsanwalt,
Salary Partner Kanzlei Leinemann Partner Rechtsanwälte, Berlin
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