18.04.2023 Ausgabe: 3/23

Muss das so heiß sein?

Bei der Warmwasserbereitung geht Gesundheitsschutz vor Energieeinsparung. Das hat gute Gründe.

Oft kommt Warmwasser viel heißer aus dem Hahn als nötig. Angesichts der gestiegenen Energiekosten fragen sich daher viele Nutzer, Eigentümer und Betreiber von Trinkwasseranlagen, ob sich nicht auch dabei Energie einsparen lässt – zum Beispiel durch die Absenkung der Vorlauftemperatur. Dazu stellen sowohl der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) als auch das Umweltbundesamt (UBA) klare Regeln auf.

Die hygienischen Rahmenbedingungen

Trinkwasser, das gemäß den Anforderungen der Trinkwasserverordnung einwandfrei ist, ist nicht steril. Es enthält Keime, darunter möglicherweise auch Krankheitserreger, allerdings in Konzentrationen, die gesundheitlich unbedenklich sind. Im öffentlichen Leitungsnetz der Versorgungsunternehmen liegt die Wassertemperatur deutlich unter 20 °C, womit das Bakterienwachstum wirksam verhindert wird. Bis zum Wasserzähler in Gebäuden liefern die Wasserversorger in aller Regel eine sehr gute, vom Gesundheitsamt regelmäßig überwachte und bestätigte Trinkwasserqualität.

Nach dem Übergabepunkt des Trinkwassers in den Gebäuden hat der Betreiber der Trinkwasserinstallation, d. h. in der Regel der Hauseigentümer, dafür Sorge zu tragen, dass sich die Qualität des Trinkwassers auf seinem Weg vom Wasserzähler zu den Zapfstellen nicht verschlechtert und auch dort die Grenzwerte und Anforderungen der Trinkwasserverordnung eingehalten werden.

In privaten und öffentlichen Gebäuden birgt die Trinkwasserinstallation an sich Gefahren für die Trinkwasserqualität. Wird das Wasser in den Rohrleitungen zu warm oder steht zu lange, kann es sich mit Bakterien anreichern. Oft liegt das daran, dass sich schlecht isolierte Rohrleitungen an der Umgebung erwärmen, Leitungsbereiche zu wenig genutzt werden oder an einer zu geringen Temperatur der Warmwasserbereitung.

Die größte Bedeutung für die Trinkwasserhygiene in Gebäuden haben Legionellen. Sie unterscheiden sich von den meisten anderen pathogenen Bakterien dadurch, dass sie sich nicht im menschlichen Körper vermehren, sondern in Biofilmen, die sich insbesondere im Temperaturbereich von 20 °C bis ca. 55 °C in Trinkwasserinstallationen bilden können. Sie sind die mit Abstand relevantesten Umweltkeime, vor denen es die Bevölkerung zu schützen gilt. Bei Überlegungen, die Betriebstemperatur von Warmwassersystemen zum Zwecke der Energieeinsparung abzusenken, ist das zu berücksichtigen.

Das gilt für den Betrieb von Trinkwasserinstallationen.

Zur Vermeidung der Vermehrung von Legionellen in Trinkwasserinstallationen von Gebäuden fordert das DVGW- Arbeitsblatt W 551 als allgemein anerkannte Regel der Technik in Systemen mit zentraler Trinkwassererwärmung Mindesttemperaturen für das erwärmte Trinkwasser. Am Austritt des Trinkwassererwärmers in einer Großanlage nach § 3 Nr. 12 Trinkwasserverordnung muss demnach eine Temperatur von 60 °C dauerhaft eingehalten werden. Zusätzlich darf die Warmwassertemperatur im gesamten Zirkulationssystem einer Großanlage nicht unter 55 °C fallen.

Im Regelwerk wird bei Trinkwasserinstallationen zwischen Groß- und Kleinanlagen unterschieden. Kleinanlagen fallen für die Immobilienverwaltung weniger ins Gewicht, weil es sich dabei hauptsächlich um solche in Ein- und Zweifamilienhäusern handelt. Großanlagen sind nach DVGW- Arbeitsblatt W 551 alle Anlagen mit Leitungsinhalten von mehr als drei Litern erwärmtem Trinkwasser oder Speichern für erwärmtes Trinkwasser von mehr als 400 Litern Inhalt.

Für Großanlagen sind die allgemein anerkannten Regeln der Technik insofern bindend, als im Schadensfall dem Betreiber bei Nichteinhaltung aus rechtlicher Sicht „fahrlässiges Handeln“ angelastet werden kann.

In Großanlagen ist eine Zirkulationsleitung vorgeschrieben. Sie verhindert, dass erwärmtes Wasser in den Rohrleitungen auskühlt, indem es von der Entnahmestelle zurück in den Warmwasserspeicher geführt und wieder auf die erforderliche Temperatur gebracht wird. Das allerdings führt zu Wärmeverlusten und zusätzlichem Stromverbrauch durch die Zirkulationspumpe.

Wege zur Energieeinsparung

Rein energetisch betrachtet wäre es natürlich günstig, Warmwasser lediglich auf die Nutzungstemperatur von 35 bis 45 °C aufzuheizen. So ließen sich Anlagen mit Brennwertkesseln und Solarkollektoren mit geringem Energieaufwand bei niedrigerer Temperatur betreiben.

Einige Akteure, z. B. Vertreiber von Systemen zur Einsparung von Energie bei der Warmwasserbereitung stellen die anerkannten Regeln der Technik als teilweise überzogen dar und stellen sie infrage. Die hygienische Gefahr allerdings wird auch von Befürwortern der Absenkung der Warmwassertemperatur unter 60 °C nicht bestritten. Es gibt aber Vorschläge, wie hygienisch einwandfreies Trinkwasser energetisch günstiger bereitzustellen ist. Diskutiert werden sogenannte Legionellenschaltungen oder die chemische Desinfektion, deren Wirksamkeit im Routinebetrieb jedoch nicht immer erbracht wurde.

Legionellenschaltungen

Sogenannte Legionellenschaltungen sollen das Legionellenwachstum kontrollieren, indem der Warmwasservorrat periodisch (z. B. einmal täglich) auf über 60 °C aufgeheizt wird. In den Zwischenzeiten kühlt das Wasser durch Wärmeverlust und Warmwasserentnahme wieder auf die niedrigere Betriebstemperatur ab.

Das UBA hält derartige Anlagen nicht für geeignet, eine effektive Konzentrationsminderung der Legionellen sicherzustellen. Grundsätzlich ist zwischen dem Verhindern des Wachstums bei Temperaturen ab 55 bis 60 °C und dem Abtöten bereits vorhandener Legionellenbesiedlungen zu unterscheiden: Letzteres erfordert mindestens 70 °C. Sollte sich im Warmwassersystem bei niedrigen Betriebstemperaturen die Legionellenkonzentration gesundheitlich bedenklich erhöht haben, würde bei einer Temperatur von 60 °C lediglich die Vermehrungsrate für einen kurzen Zeitraum reduziert, die Konzentration der vitalen Legionellen jedoch kaum vermindert. In der Abkühlphase könnten sie sich weiter vermehren. Erst mit einer Erhöhung der Temperatur auf 70°C im gesamten Warmwassersystem kann eine thermische Desinfektion, d. h. die Abtötung vitaler Legionellen, sicher erreicht werden. Temperaturen über 60 °C sind jedoch für Legionellenschaltungen technisch nicht sicherzustellen, da dies die Installationsmaterialien zu stark in Mitleidenschaft ziehen würde. Der dafür notwendige höhere Energiebedarf steht zudem auf einem anderen Blatt.

Chemische Desinfektion

Manche Anbieter propagieren die chemische Desinfektion als Mittel der Wahl, teils durch im eigenen Haus betriebene elektrolytische Chlorerzeugung. Für das UBA steht hier die Belastung von Mensch und Umwelt mit Chlornebenprodukten sowie die Betriebssicherheit solcher Systeme zur Diskussion. Grundsätzlich gilt es, die Verlagerung gesundheitlich kritischer Wasseraufbereitung in den privaten Haushalt zu vermeiden, da Laien einen fachlich korrekten Betrieb einschließlich Wartung langfristig nicht garantieren und Überwachungsmöglichkeiten fehlen.

Alternative Vorgehensweisen

Dem UBA zufolge schließen die anerkannten Regeln der Technik alternative Vorgehensweisen bei der Warmwasserbereitung nicht grundsätzlich aus, zumal wenn sie energieeffizienter sind. Hersteller und im Einzelfall auch Betreiber nicht regelkonformer Warmwassersysteme müssen die notwendige Überprüfung solcher Verfahren ermöglichen und die hygienische Sicherheit im Praxisbetrieb nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Methoden belegen. Tipps für die energetische Optimierung von Großanlagen zur Trinkwassererwärmung gibt der DVGW:

Die regelmäßige Wartung und Instandhaltung aller Baugruppen in der Trinkwasserinstallation, insbesondere von Trinkwassererwärmern, spart Energie, weil die Reinigung bzw. Entkalkung Ablagerungen entfernt.

Die Überprüfung und Redimensionierung des Trinkwassererwärmers und Speichers kann sich lohnen: Ein kleinerer Speicher mit geringerer Bevorratung hat geringere Wärmeverluste und verbraucht weniger Energie.

Temperaturkontrolle: Die am Trinkwassererwärmer eingestellte Temperatur sollte überprüft und korrekt eingestellt werden. Treten bei einzelnen Zirkulationsrückläufen Temperaturen unter 55 °C auf, ist eine Überprüfung des hydraulischen Abgleichs erforderlich.

Die Zirkulationspumpe kann in hygienisch einwandfreien Trinkwasserinstallationen nachts für bis zu acht Stunden abgeschaltet werden. Das spart Energie, allerdings mit dem Komfortverlust, dass Warmwasser in der Nacht nicht mehr sofort verfügbar ist.

Fazit

Sowohl das UBA als auch der DVGW halten eine Warmwassertemperatur von 55 bis 60 °C in Großanlagen für notwendig. Energieeinsparpotenziale werden in der Minimierung der Energieverluste durch angemessene Auslegung und Wärmedämmung der Systeme gesehen. Für alternative technische Verfahren fordert das UBA den wissenschaftlichen Nachweis der hygienischen Unbedenklichkeit vom Hersteller.

 

Körner, Andrea

Redaktion