18.10.2023 Ausgabe: 7/23

Mietrecht: Überbau oder Reakteilung - wem gehört die Tiefgarage?

(BGH, Beschluss vom 15.6.2023 – Az. V ZB 12/22)

Das Thema

Sowohl die Eigentümer wie auch die (Miet- oder WEG-) Ver­waltungen von Tiefgarageneinheiten haben ein grundlegendes Interesse daran, dass das Eigentum an den Stellplätzen richtig bestimmt und korrekt im Grundbuch eingetragen wird. Bei immer komplexeren Mehrhausanlagen mit darunter liegenden Tiefgaragen ist diese Aufteilung und die korrekte Eintragung ins Grundbuch oft nicht einfach, auch Fehler der Grundbuchämter sind nicht auszuschließen. Einen solchen Fall hatte der Bundes-gerichtshof (BGH) nun im Rahmen einer Beschwerde gegen einen Beschluss zu entscheiden, mit dem ein Grundbuchamt die Eintragung einer Teilungserklärung zurückgewiesen hatte.

Der Fall

Im Einzelnen stellte sich die Grundstückssituation wie folgt dar: Die aufteilende Eigentümerin ist als Eigentümerin des Tiefgaragengrundstücks im Grundbuch eingetragen. Auf dem Grundstück errichtete sie eine Tiefgarage, wobei sich ein kleiner Teil des Gebäudekörpers nebst Zufahrt auf dem Tiefgaragengrundstück befindet, während sich der weitaus größere Teil im Wege des Überbaus auf drei weitere Grundstücke erstreckt. Zulasten der überbauten Grundstücke ist jeweils eine Grunddienstbarkeit u. a. des Inhalts im Grundbuch eingetragen, dass dem jeweiligen Eigentümer des Tiefgaragengrundstücks der Überbau gestattet wird (im Folgenden: Überbaugrund-dienstbarkeit). Zudem ist zulasten des Tiefgaragengrundstücks eine Grunddienstbarkeit im Grundbuch eingetragen, die dem jeweiligen Eigentümer eines der überbauten Grundstücke (im Folgenden: Hausgrundstück) das Recht zum Aufbau eines Wohngebäudes auf dem Teil der Decke der Tiefgarage ein­räumt, der in das Hausgrundstück hineinragt (im Folgenden: Aufbaugrunddienstbarkeit).

In der Teilungserklärung hat die Eigentümerin des Tiefgara­gengrundstücks die Aufteilung der gesamten Tiefgarage in Teileigentum an den einzelnen Stellplätzen beantragt – nicht nur an den Stellplätzen unter dem Tiefgaragengrundstück, sondern auch an den Stellplätzen unter dem Hausgrundstück.

Das Grundbuchamt hat den Antrag abgelehnt, und die unteren Instanzen sind ihm gefolgt, weil Teileigentum nicht an mehreren Grundstücken gebildet werden könne. Die heilende Eigentümerin müsse nachweisen, dass es sich bei der Tiefgarage insgesamt um einen Überbau handele (dies ist der gesetzliche Begriff, tatsächlich handelt es sich hier um einen Unterbau, der, wie der BGH in diesem Urteil bestätigt, ebenso behandelt wird), und diese damit insgesamt dem Tiefgaragengrundstück zuzurechnen sei. Wenn dagegen ein funktioneller Zusammenhang mit den Gebäuden auf dem jeweiligen Hausgrundstücken besteht, müssten die darunter liegenden Teile der Tiefgarage dem Hausgrundstück zu­gerechnet werden und stünden damit nicht im Eigentum der teilenden Eigentümerin. Dieser funktionelle Zusammenhang ergebe sich aus der tatsächlichen bautechnischen Beschaffen­heit, welche zum einen vor der Realisierung aller Bauwerke noch nicht feststehen und zum anderen jedenfalls nicht in grundbuchtauglicher Form (= notarielle Beurkundung) nachgewiesen werden könne.

Der BGH bestätigt den Ausgangspunkt, dass die teilende Eigentümerin die Aufteilung der Tiefgaragen in Wohnungs­eigentum nur dann vornehmen kann, wenn sie selbst Eigen­tümerin der gesamten Tiefgarage ist, da Sondereigentum nicht mit Miteigentumsanteilen an mehreren Grundstücken verbunden werden kann. Der BGH bestätigt weiter, dass sich Sondereigentum sehr wohl auf Überbauten (und Unterbauten) beziehen kann, die zwar auf anderen Grundstücken gelegen sind, aber dem Tiefgaragengrundstück als wesentliche Be­standteile zugerechnet werden.

Diese Zurechnung als wesentliche Bestandteile erfordern beim Überbau jedenfalls eine Gestattung durch den Nachbarn, den Eigentümer des überbauten Grundstücks, die in aller Regel mit den Überbaudienstbarkeiten vorliegt. Welches Grundstück als Stammgrundstück anzusehen ist, richtet sich nach den Absichten und wirtschaftlichen Interessen des Erbauers im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Nachbargrundstücke. Größe und Wichtigkeit des übergebauten Gebäudeteils im Verhältnis zu dem auf dem Grundstück des Erbauers verbliebenen „Stammteil“ spielen keine Rolle.

Die Literatur hat teilweise die Zuordnung einer Tiefgarage zum Stammgrundstück (und nicht zum aufstehenden Haus) für bedenklich gehalten, da das aufstehende Gebäude statisch von der Tiefgarage abhängig ist und bei einer Entfernung der Tiefgarage zerstört würde. Andere rücken die Verkehrs­anschauung bzw. das Bestehen einer funktionalen Einheit in den Vordergrund. Dieser Ansicht schließt sich der BGH an. Die statische Abhängigkeit eines Gebäudes vom Bestehen anderer Gebäude steht der Eigenständigkeit eines Gebäudes nicht entgegen, wie der BGH zu einem „verschachtelten“ Überbau bereits entschieden hat.

Ist der Überbau nach seiner Lage, baulichen Gestaltung und wirtschaftlichen Nutzung einem bestimmten Gebäude zuzuordnen, ist er auch eigentumsrechtlich diesem Gebäude zugehörig, selbst dann, wenn er statisch von einem anderen Gebäude abhängig ist. Diese Grundsätze gelten auch, wenn es sich bei dem Gebäude um eine Tiefgarage handelt. Die Verbindung mit den aufstehenden Häusern auf den Hausgrundstücken durch Treppenhäuser, Aufzugschächte, Fluchtwege oder Haustechnik und sogar weitere Zufahrten von anderen Grundstücken stehen der sachenrechtlichen Zuordnung zum Stammgrundstück nicht entgegen, solange die Tiefgarage als Ganzes über wenigstens eine Zufahrt vom Stammgrundstück aus erreichbar bleibt.

Zu den zu führenden Nachweisen in grundbuchmäßiger Form führt der BGH Folgendes aus: Der teilende Eigentümer muss insoweit lediglich die funktionale Verbindung mit dem Stammgrundstück nachweisen. Hierfür genügt es, dass sich ein Gebäudeteil der Tiefgarage auf dem Stammgrundstück befindet und eine Zufahrtsrampe auf dem Stammgrundstück gelegen ist, über die die gesamte Tiefgarage erreicht werden kann. Dieser Nachweis kann durch den Aufteilungsplan geführt werden, der Nachweis der nachbarschaftlichen Zustimmung unstreitig durch die im Grundbuch eingetragenen Dienst­barkeiten. Einen Gegenbeweis für die fernliegende Tatsache, dass aufgrund einer stärkeren funktionalen Verbindung mit den Hausgrundstücken die Zurechnung der Tiefgarage zum Stammgrundstück wegfallen könnte, muss der teilende Eigen­tümer nicht führen, jedenfalls dann nicht, wenn sich – wie im entschiedenen Fall – aus den Unterlagen ergibt, dass die Gebäude auf den Hausgrundstücken mit Ausnahme der Tiefgarage völlig autark sind.


VERWALTERSTRATEGIE

Das Urteil schafft Klarheit: Wenn Teileigentum an Tiefgaragenstellplätzen neu begründet werden soll, dann ist nach diesem Urteil die Zuordnung zum Stammgrundstück die Regel. Die Realteilung einer Tiefgarage ist die Ausnahme. Im Umkehrschluss dürften nach diesem Urteil für die Eintragung einer Realteilung umfassende Nachweise erforderlich werden, die gar nicht so einfach in grund­buchmäßiger Form zu führen sind. Soweit Teileigentum im Grundbuch an real geteilten Grundstücken eingetragen ist, können sich die Eigentümer und Verwalter auf die Richtigkeit des Grundbuchs und die konstitutive Wirkung der Eintragung allerdings verlassen.

Piekut, Dr. Susanne Schießer & Piotr

DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungs­eigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

PIOTR PIEKUT
Der Rechtsanwalt ist am Berliner Standort derselben Kanzlei u. a. im Miet- und Grundstücksrecht tätig. www.asd-law.com