08.12.2023 Ausgabe: vdivDIGITAL 2023/2

Mehr Fortschritt wagen!

Chancen und Vorteile hybrider und virtueller Eigentümerversammlungen für die WEG-Verwaltung – ein Erfahrungsbericht

Mit der WEG-Novelle zum 1. Dezember 2020 wurden hybride Eigentümerversammlun­gen rechtskonform. Rein virtuelle For­mate wurden von manchen Verwaltungen schon während der Pandemie zumindest für Informa­tionsveranstaltungen genutzt, als Grundlage für die Entscheidungsfindung im Wege sogenannter Vollmachts­versammlungen.

Groß waren die Erwar­tungen der Branche an die Gesetzesnovelle, die eine Annäherung an das Gesellschaftsrecht brin­gen sollte, das rein vir­tuelle Versammlungen mittlerweile erlaubt. Dass in der Immobilienver­waltung dann weiterhin Präsenzveranstaltun­gen angeboten werden mussten, enttäuschte insbesondere in Zei­ten der Pandemie, die bekanntlich die Digitalisierung in vielen Bereichen enorm und zügig vorangetrieben hat. Auch wir hatten bereits begonnen, eingefahrene Strukturen zu überdenken und zu verändern, auch wenn die damit verbundenen Prozesse noch nicht finalisiert worden waren. So viel Wagemut war vor der Pandemie eher selten – Aufbruchstimmung in der Optimierung von Prozessen durch Digitalisierung!

Die Frage, was die neuen gesetzlichen Regelungen wohl bringen, und die großen Erwartungen an den aktuellen Refe­rentenentwurf haben den Enthusiasmus und Wagemut in weiten Teilen aufrechterhalten. Mehr Freiheit und Gestal­tungsmöglichkeiten, insbesondere bei der Digitalisierung, wären wünschenswert. Dass die Digitalisierung im Privaten teils deutlich weiter fortgeschritten ist als in der professio­nellen WEG-Verwaltung, stößt zu Recht auf Unverständnis.

Digitale Reform eines Prozesses

So haben auch wir schon im Jahr 2021 verschiedene Anbieter für die Digitalisierung und hybride Durchführung von Eigen­tümerversammlungen ausgiebig erprobt und uns letztlich für einen Anbieter entschieden, der innerhalb kürzester Zeit eine der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) entspre­chende Online-Anwendung bereitstellte. Das führte auch dazu, dass wir den gesamten Prozess der Wohnungseigentü-merversammlung digital reformieren konnten – ein enormer Fortschritt mit ungeahnten Möglichkeiten für zukunftsfähi­ges, professionelles und agiles WEG-Management, sowohl für uns Verwalter und unsere Mitarbeiter als auch für unsere Kunden. Die Schulungen haben unsere WEG-Managerinnen und -Manager gefühlt nur wenige Stunden gekostet, weil die Anwendungen intuitiv zu erfassen sind. Auf fachkundi­gen Support konnten wir trotzdem jederzeit zurückgreifen.

Mit der reinen Online-Anwendung sind nun alle jederzeit und überall einsatzbereit, wobei sich der gesamte Prozess Schritt für Schritt abbilden lässt: Eigentümerversammlung für eine bestimmte Gemein­schaft aus unserem Portfolio anlegen, Versammlungsda­tum und -ort festlegen, schon können die Tagesordnungs­punkte inklusive Erläuterung, Beschlussvorschlag, an der Abstimmung Beteiligte und Stimmrechtsart festgelegt wer­den. Aus der Anwendung her­aus kann die Einladung direkt per E-Mail versandt oder ein PDF erzeugt werden. Beson­ders effektiv finden Anwen­derinnen und Anwender, dass Tagesordnungspunkte als allge­meine Vorlagen für alle ange­legt werden können. Darüber hinaus lassen sich die bereits durchgeführten Versammlun­gen für das Folgejahr dupli­zieren.

Spürbar effizientere Abläufe

Konnten hybride Eigentü­merversammlungen anfangs mangels eines genehmigen­den Beschlusses nach § 23 Abs. 1 S. 2 Wohnungseigen-tumsgesetz noch nicht durch­geführt werden, wurden auch die zunächst als Präsenzver­sammlungen durchgeführ­ten Veranstaltungen deutlich effizienter. Mit Beamer oder Smartboard haben wir eine Bühnenansicht eingerichtet, über die Teilnehmer den Verlauf der Versammlung verfolgen. Das stellt zwar teils neue Anforderungen an den jeweiligen Versammlungsraum, die sich mit mobilen Geräten und spätestens mit dem rein virtu­ellen Format aber lösen lassen. Auf Hinweis in der Einladung bringen alle Teilnehmer ihre Smartphones mit. Per WLAN oder mobilem Hotspot bekommen sie Zugang zur Online-Anwendung und stimmen auf der Präsenzversammlung vir­tuell ab – ohne Stimmzettel für jeden TOP, die angefertigt, ausgeteilt, eingesammelt, händisch ausgezählt und in eine eigens angelegte Excel-Tabelle eingetragen werden müssen. Sekundenschnell liegt das Ergebnis digital protokolliert vor und alle Eigentümer können in der Bühnenansicht die Ent­wicklung der Abstimmung und das Ergebnis mitverfolgen.

Keine Spur von Benachteiligung

Dem Einwurf von Kritikern, dass z. B. ältere Menschen benachteiligt werden, weil sie sich mit der virtuellen Abstimmung schwertun, setzt die Anwendung die Mög­lichkeit der Abstimmung per Handzeichen entgegen. Unsere Erfahrung damit: Im Jahr der Einführung unse­rer Online-Lösung haben auf ca. zehn Versammlungen der Eigentümer von rund 1.200 Wohneinheiten bei einer Anwesenheitsquote von etwa 65 Prozent insge­samt drei Eigentümer von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Von altersbedingter Benachteiligung konnte keine Rede sein – im Gegenteil: Die Älteren waren meist besser vorbereitet und schneller mit ihrer Stimmabgabe als die Jüngeren.

In absehbarer Zeit werden wir auch die digitale Signatur auf unseren Endgeräten integrieren, sodass das digital erstellte Protokoll am Ende der Versammlung unterzeich­net und im Anschluss über das CRM-System allen Eigen­tümern als PDF zur Verfügung gestellt werden kann. Weil die Anwendung unterdessen auch die Beschlusssamm­lung schon komplettiert hat, ist am Ende der Versamm­lung auch für uns tatsächlich Schluss – nur die gefassten Beschlüsse sind noch umzusetzen.

Seit diesem Jahr bieten wir für Eigentümerversammlungen auch das Hybridformat an, was sich technisch nicht merk­lich von der digitalen Präsenzversammlung unterscheidet. Für die Chat-Ansicht gibt es einen mobilen Monitor, der an unsere Tablets angeschlossen wird, eine 360°-Kamera und eine Konferenzspinne. Online Teilnehmende haben die gleiche Bühnenansicht wie die vor Ort Anwesenden, melden sich per virtuellem Handzeichen und erhalten Rederecht. Auf Wunsch sind sie in der Bühnenansicht per Video zu sehen. Die Abstimmung erfolgt ebenso vir­tuell wie in Präsenz.

Die Vorteile liegen auf der Hand

Alles in allem hoffen wir in unserem Unternehmen sehr auf die rein virtuelle Versammlung und sind sicher, dass sie genauso reibungslos verlaufen wie die digitalen Prä­senz- und Hybridformate. Das hat u. a. folgende Gründe:

Weil für Wohnungseigentümer die Wege zum Versamm­lungsort entfallen, wird sich die Terminfindung einfacher gestalten. Da für die Teilnahme eine verfügbare Internet-anbindung und ein entsprechendes Endgerät ausreichen, werden sich insbesondere bei wichtigen Themen mehr Eigentümer an Entscheidungen und Beschlussfassungen beteiligen. Die Kosten und der Aufwand für anzumietende Räume entfallen, Versammlungen können so zudem zu anderen Tageszeiten stattfinden. Drängende Beschlüsse können einfacher unterjährig in außerordentlichen Ver­sammlungen gefasst werden. Vor allem an entlegenen Orten und in ländlichen Regionen können virtuell zu erbringende Verwalterleistungen leichter ausgeführt wer­den, für die sich sonst kaum ein Auftragnehmer findet.

Vorteile bietet das virtuelle Format auch für Verwaltungs­unternehmen: Reise- und Fahrtkosten entfallen, die Kosten für Hardware und Lizenzen können vertraglich und/oder per Beschlussfassung auf die Eigentümer umgelegt wer­den. Für Gemeinschaften, die diese Kosten nicht tragen wollen, lässt sich dies mit der Vergütungsvereinbarung zur Wiederbestellung nachjustieren. Da Verwaltungs­personal an virtuellen Eigentümerversammlungen auch remote teilnehmen kann, wird die WEG-Verwaltung als Beruf attraktiver.

Hoffen auf den Fortschritt

Wer nun mit der Beschränkung der Eigentümerrechte gegen virtuelle Versammlungsformate argumentiert, sei auf die seit geraumer Zeit ausschließlich virtuell angebotenen Leistun­gen vieler Behörden verwiesen. In den FAQ des Referen­tenentwurfs vom 21. September 2023 findet sich hierzu Folgendes: „Verfügt eine Wohnungseigentümerin oder ein Wohnungseigentümer nicht selbst über die erforderlichen Mittel oder Fähigkeiten zur Teilnahme an einer virtuellen Wohnungseigentümerversammlung, ist insbesondere eine Unterstützung durch Familienangehörige, Freundinnen und Freunde, Bekannte oder Nachbarinnen und Nachbarn denk­bar. Handelt es sich um selbstgenutztes Wohnungseigen­tum, kommt in Betracht, bei einer anderen Miteigentümerin oder einem anderen Miteigentümer, die oder der ebenfalls in der Anlage wohnt, teilzunehmen. Möglich erscheint es außerdem, kommerzielle Angebote zu nutzen. Schließlich besteht – wie bereits bislang – die Möglichkeit, sich in der Wohnungseigentümerversammlung vertreten zu lassen und auf diese Weise die eigenen Interessen wahrzunehmen.“

Blicken wir also gespannt auf das, was in Berlin zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes tatsächlich beschlossen werden wird – und freuen uns über jede zeit­nahe Anpassung, die die Willensbildung in Eigentümer­gemeinschaften fortschrittlicher gestaltet.

 

Schlüter, Sascha

Prokurist, Bereichsleiter WEG-Management, FRANK

www.frank.de