08.12.2023 Ausgabe: 8/23

Lohnende Herausforderungen

Immer mehr Anbieter setzen in der Weiterbildung auf Online- und Hybridformate – auch der VDIV Hessen. Ein Erfahrungsbericht.

Ich kann mich noch gut an das erste Online-Seminar erinnern, das wir im Jahr 2018 mit einem Partnerunter­nehmen anboten. Die Bilanz war ernüchternd: weniger als zehn Teilnehmer, technische Probleme, schlechtes Feedback. Für uns ein deutliches Zeichen, weiter an den konventionellen Seminarformaten festzuhalten. Klassische Ganz- und Halbtagsseminare fanden bei uns also weiterhin in Präsenz statt, zudem entwickelten wir die Reihe „Recht am Abend,“ die in jeweils zwei Stunden ein spezielles rechtliches Thema in den Fokus stellt – mal WEG-, mal Mietrecht und ab und zu auch angrenzende Gebiete wie Bau- und Maklerrecht.

Wie bei allen Seminaranbietern änderte die Pandemie auch bei uns vieles. Alle bereits geplanten Veranstaltungstermine stellten wir auf Online-Seminare um und entschieden uns zur Umsetzung für die Plattform „Visavid“ von Auctores. Mit der hatten wir anfangs noch ein paar Kinderkrank­heiten durchzustehen, stete Feedback-Runden mit den Entwicklern führten aber letztlich zur Anpassung an unsere Anforderungen, beispielsweise mit einer automatisierten Anwesenheitskontrolle. Extrem hohe Teilnehmerzahlen und dass wir endlich auch Verbandsmitglieder mit Firmensitz außerhalb des Rhein-Main-Gebiets erreichen konnten, die zuvor ungern für ein zweistündiges Seminar eine ebenso lange Anfahrt in Kauf nehmen wollten, erschienen uns als enormer Fortschritt, wenn wir auch lange Zeit dachten, nach der Pandemie wäre alles wieder beim Alten – weit gefehlt!

Nachhaltig geänderte Gewohnheiten

Viele Unternehmen haben sich schnell an den Komfort gewöhnt, Seminare ohne den zeitlichen Aufwand der Anfahrt und die zusätzlichen Kosten in Anspruch nehmen zu können. Andererseits wird aber auch der Mehrwert der Präsenzteilnahme geschätzt, etwa der Austausch mit anderen Teilnehmern, oder weil es von Vorteil ist, mal rauszukommen aus dem Büro, ohne ablenkende Telefonanrufe oder eingehende E-Mails. All diese Argumente – sowohl der online als auch der in Präsenz Teilnehmenden – leuchten ein und sind nach­vollziehbar, sodass wir entschieden, uns den geänderten Rahmenbedingungen anzupassen. Ab 2022 planten wir viele Seminare als Hybridformate.

Das aufwendigste Seminar dieser Art führten wir im August 2022 zur Vorbereitung auf die Prüfung zum Zertifizierten Verwalter durch. Die Abfrage unter unseren Mitgliedern im Vorfeld hatte gezeigt, dass eine hybride Durchführung absolut gewollt war. Letztlich saßen rund 40 Personen im Seminarraum in Bad Homburg, rund 50 weitere waren online zugeschaltet. Während der beiden Tage betreute ich die Online-Teilnehmer, umgeben von drei Technikern für Bild und Ton, denn es gab eine Besonderheit: Die rechtlichen Grundlagen aus Wohnungseigentumsgesetz und Bürgerlichem Gesetzbuch wurden anhand von simulierten Prüfungsfragen vermittelt. Die vor Ort An­wesenden gaben ihre Antworten per TED-Gerät ein, die online Zugeschalteten klickten sich auf „Visavid“ durch die Fragen – rückblickend sicherlich eines unserer besten Seminare der letzten Jahre. Aber es war auch nervenauf­reibend und anstrengend. Wegen der positiven Resonanz haben wir dieses Format dennoch etabliert.

Nachteile externer Veranstaltungen

Weil die Technik-Partner für Seminarveranstaltungen meist den Aufbau am Vortag verlangen, müssen die Räumlich­keiten entsprechend gemietet werden. Viele der dafür geeigneten Hotels in Frankfurt und Umgebung arbeiten dabei mit ihren Dienstleistern fest zusammen, auf die ich mich jedes Mal einstellen musste. „Warum nutzen Sie nicht Teams oder WebEx?,“ wurde ich von ihnen unzählige Male gefragt und musste ebenso oft „Visavid“ erklären.

Als sich im Sommer 2022 die Suche nach neuen Räum­lichkeiten für die Geschäftsstelle des VDIV Hessen in der gewünschten Größe in Frankfurt am Main als schwierig erwies, kam schließlich von einem Mitgliedsunter­nehmen ein passendes Angebot. Die Fläche in einem Gewerbeobjekt in Frankfurt-Griesheim war allerdings deutlich größer als geplant. So kam ich schon bei der ersten Besichtigung auf die Idee, durch den Rückbau zweier Zwischenwände einen großen Seminarraum zu schaffen und ihn technisch für Hybridseminare zu rüsten.

Zugegeben, der Vorstand war nicht gleich Feuer und Flamme für diesen Plan, ließ sich aber überzeugen: Die künftige Einsparung der Kosten für externe Seminar­räume, für Technikpartner und die Fahrten zu Veran­staltungsorten waren schlagende Argumente, zudem die zusätzlichen Einnahmen durch mehr Teilnehmer und vor allem der Umgang mit vertrauter Technik. So nahm der geplante Seminarraum für Hybridveranstaltungen im Dezember 2022 Gestalt an: Neben PC, Beamer und Leinwand wurden auch Headsets, Handmikros und Mischpult beschafft, eine schwenkbare Webcam an die Wand montiert. Seminare werden seitdem direkt aus der Geschäftsstelle gestreamt.

Nicht alles klappt immer reibungslos.

Nichtsdestotrotz stellen die Hybridseminare alle Be­teiligten noch immer vor Herausforderungen, weil das Format seine Eigenheiten hat. Insbesondere für die im Raum Anwesenden ist es schwierig, sich darauf einzustellen, dass z. B. spontan eingewor­fene Fragen für die online Zugeschalteten nicht zu hören sind, solange nicht ins Handmikro ge­sprochen wird. Das erfordert Disziplin, auch bei den Referenten, und bessert sich mit der Gewöhnung – klappt aber trotzdem nicht immer.

Da ich die Online-Teilnehmer während der Seminare im Chat selbst betreue, beschweren sie sich natürlich auch bei mir, wenn etwas nicht klappt – und sie sind nicht gerade nachsichtig, wenn uns Fehler unterlaufen. Wird Unmut bekundet, schaukelt er sich im Chat schnell hoch, und ich muss oft entscheiden, ob ich als Moderatorin persönliche Chats mit mir gestatte oder nicht. Tue ich es nicht, wird jedes individuelle technische Problem im Haupt-Chat erläutert und von anderen kommentiert. Gestatte ich ihn, stellt man mir auch inhaltliche Fragen, die ich an den Referenten weitergeben soll. Bei einmal knapp 20 verschiedenen offenen Chat-Fenstern stieß ich ernsthaft an meine Grenzen. So sammle ich nun eingehende Fragen und erörtere sie zu vereinbarten Zeitpunkten mit den Referenten, die diese Fragerunden nach bestimmten Abschnitten oder einzeln eingestreut in ihren Vortrag integrieren. Entscheidend ist, dass alle Teilnehmer sich wahr- und ernstgenommen fühlen und am Ende des Tages keine Fragen offen bleiben. Die interaktive Ein­bindung der Online-Teilnehmer mittels Voting hat sich als sinnvolles Tool erwiesen und als gute Ergänzung zu den Handzeichen im Raum.

Insgesamt positive Bilanz

Trotz aller Widrigkeiten ist das Fazit eindeutig: Wir werden den unterschiedlichen Anforderungen der Seminarteilnehmer gerecht, wir erschließen weitere Teilnehmerkreise und erzielen höhere Einnahmen. Dennoch werden wir einzelne Veranstaltungen auch weiterhin nur in Präsenz anbieten, beispielsweise den Azubi-Prüfungsvorbereitungskurs, der an fünf Tagen in Folge ganztägig stattfindet. Klar ist auch, dass die meisten Referenten sich gut auf das Format einstellen können und inzwischen auch Erfahrung damit haben. Nicht jeder aber eignet sich gleichermaßen dafür, sodass man seine Wahl manchmal auch daran ausrichten muss. Mittlerweile haben wir allein in diesem Jahr mehr als 50 Seminare und Veranstaltungen unterschiedlicher Formate mit rund 2.000 Teilnehmerinnen und Teil­nehmern hinter uns. Ich jedenfalls freue mich schon jetzt auf viele interessante Seminare im Jahr 2024, vor allem auf die in hybrider Form.

Niebing, Katja

Geschäftsführerin VDIV Hessen