18.04.2023 Ausgabe: 3/23

Gut zu wissen

Zum Status quo der Wohngebäudeversicherung. So gehen Sie fit in die Eigentümerversammlung.

Kaum haben wir uns ein wenig vom enormen Anstieg der Energiepreise erholt, rückt eine andere Branche in den Fokus der Wohnungseigentümer: Die Wohngebäudeversicherer haben ihre Prämien zum 1. Januar 2023 deutlich angehoben. Anpassungen um 15 bis 30 Prozent waren fast schon die Regel, teils stiegen die Versicherungsprämien sogar um bis zu 50 Prozent. Verwaltungen sind also in diesem Jahr ganz besonders gefordert, in den Eigentümerversammlungen anspruchsvolle Themen zu moderieren. Wie aber bereitet man sich bestmöglich darauf vor, um in der kommenden Versammlungssaison gut bestehen zu können und Eigentümern ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen. Aufklärung hilft auf jeden Fall!

Warum sind die Prämien gestiegen?

Beleuchten wir zunächst die beiden wichtigsten Fragen: Unter welchen Umständen darf ein Versicherer die Prämien erhöhen? Warum fiel diese Erhöhung im Vergleich zu den Vorjahren so hoch aus?

Wohngebäudeversicherer, die eine gleitende Neuwertversicherung anbieten, berechnen die Prämie mit einem sogenannten Anpassungsfaktor. Dieser Faktor wird jährlich im August/ September vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ermittelt und für das kommende Jahr festgelegt. Entscheidend für die Höhe des Anpassungsfaktors
ist zu 80 Prozent der Baupreisindex und zu 20 Prozent der Tariflohnindex für das Baugewerbe.

Der Anpassungsfaktor

Die Veränderung des Anpassungsfaktors lag in den letzten zehn Jahren durchschnittlich bei drei Prozent p. a., 2023 liegt er bei 14,75 Prozent. Ursächlich dafür sind einerseits die stark gestiegenen Kosten für Baumaterialien, andererseits die hohe Inflationsrate. Die Versicherer haben im Übrigen keine Wahl: Möchten sie künftig noch Wohngebäudeversicherungen zum
gleitenden Neuwert anbieten, müssen sie den Anpassungsfaktor umsetzen.

Die Beitragsangleichungsklausel

Eine Prämienerhöhung ist – abgesehen vom Anpassungsfaktor – zudem über die Beitragsangleichungsklausel (BAK) möglich. Hierfür werden die tatsächlichen Schadenaufwendungen des jeweiligen Versicherers im Vergleich zu den Prämieneinnahmen betrachtet.

In den Jahren 2021 und 2022 haben die Versicherer teils schwere finanzielle Verluste im Bereich der Wohngebäudeversicherung erlitten, die sie nun durch die genannten Beitragsanpassungen für die Zukunft abzuwenden versuchen.

Die extrem hohen Schadenaufwendungen haben ihre Ursache vor allem in großen Naturkatastrophen, zum Beispiel im Juli 2021 durch die Sturzflut Bernd, die das Ahrtal verwüstete, und im Februar 2022 durch die Winterstürme Ylenia, Zeynep und Antonia.

Die reinen Schadenzahlen machen es deutlich: Haben die Versicherer in 2020 Aufwendungen für Schäden durch Elementarereignisse in Höhe von 170 Mio. Euro verzeichnet, so stehen diesem Betrag im Jahr 2021 Aufwendungen von 4,33 Mrd. Euro gegenüber. 

Wie kann man auf diese Prämiensteigerungen reagieren?

Aus der reinen Erhöhung aufgrund des neuen Anpassungsfaktors ist kein außerordentliches Kündigungsrecht abzuleiten. Zwar kann man der Anpassung widersprechen, wovon aber
dringend abzuraten ist. Das Gebäude wäre dann nicht mehr zum gleitenden Neuwert versichert, was das Wohnungseigentumsgesetz in § 19 Abs. 2 S. 3 im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung jedoch zwingend vorsieht.

Bei einer Erhöhung der Prämie durch die Beitragsangleichungsklausel sieht es anders aus. Hier steht Versicherungsnehmern ein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Zum 1. Januar 2023 dürften jedoch die wenigsten Verwaltungen diese Möglichkeit genutzt haben. Die Frist, um rechtzeitig vor dem 1. Januar noch Angebote einzuholen, zu vergleichen und die bei einer Kündigung notwendigen Gläubigerzustimmungen einzuholen, dürfte viel zu knapp gewesen sein.

Das Rüstzeug für die Eigentümerversammlung

Sehr zu empfehlen ist es daher, das Thema für die kommenden Eigentümerversammlungen sorgfältig aufzubereiten. Bei Prämienerhöhungen, die deutlich über 20 Prozent liegen, ist es gegebenenfalls ratsam, Vergleichsangebote einzuholen. Günstigere Angebote sind in der Regel allerdings nur realisierbar, wenn das Objekt einen guten Schadenverlauf bzw. eine auskömmliche Schadenquote aufweisen kann.

Mit der Rolle des „Boten schlechter Nachrichten“ oder zumindest solcher, die Eigentümern nicht leicht zu vermitteln sind, müssen sich Verwaltungen auch künftig arrangieren. Gute Vorbereitung hilft, um Telefonate, Besprechungen und Versammlungstermine zu diesem Thema besser zu bewältigen.

 

Hildebrandt, Kay

Der Versicherungs- und Branchenexperte leitet den Unternehmensbereich Wohnungswirtschaft bei PANTAENIUS in Hamburg. Das Unternehmen hat sich auf praxisnahe Versicherungslösungen für Immobilienverwalter spezialisiert und unterstutzt diese bundesweit im Versicherungsmanagement.
www.pantaenius.eu/DDIV

Klöber, Kevin

Geschäftsführer H & K Klöber
Versicherungsmakler GmbH
www.hk-kloeber.de​​​​​​​

Schellhorn, Martin

Geschäftsführer
INCON GmbH & Co. Assekuranz KG
www.incon-vm.de