11.03.2024 Ausgabe: 1&2/24

Grenzen der Automatisierung

Mit der Prozessoptimierung durch digitale Unterstützung gewinnen Soft Skills an Bedeutung.

Zu Jahresbeginn 2023 hatte sich fast die gesamte Belegschaft unseres Unternehmens wieder zum „Planungstag“ zurückgezogen. Diese Mischung aus Schulung, Information über den Geschäfts­verlauf und Workshop findet bei uns seit Langem zwei- bis dreimal jährlich statt.

Diesmal hatten wir uns den „Jahresdurchlauf“ vor­genommen: von der Ablesung der Hauptzählerstände bis zur Bereitstellung der Beschlusssammlung. Hierfür erfassen wir alle Erledigungstermine, sodass wir ständig überwachen können, welche Arbeiten überfällig sind. Liefert z. B. ein Hausmeister die Zählerdaten nicht ab, oder ein Heizkostenabrechner ist mit seiner Leistung im Verzug, kann zeitnah nachgefasst werden, um den Gesamtprozess für die betreffende Wohnanlage zu beschleunigen.

Von der Bestandsaufnahme ...

 

Aufgabe der Mitarbeitenden beim Planungstag war es, zunächst die Einzelschritte des aktuellen Gesamtprozesses mit Moderationskarten an Pinnwänden darzustellen. Mit­hilfe der „World-Café“ genannten Methode, die darauf abzielt, alle Teilnehmenden miteinander ins Gespräch zu bringen, um Fragestellungen in Kleingruppen intensiv zu diskutieren und zu reflektieren, konnten sie sehr schnell selbst feststellen, dass es jenseits des zertifizierten Hand­buchs durchaus auch individuelle Vorgehensweisen bei der Bearbeitung der Prozessschritte gab. Dazu ein Beispiel:

Ende November versenden wir an alle Hausmeister die Zählerlisten der von ihnen betreuten Wohnanlagen mit der Bitte, uns diese bis 15. Dezember ausgefüllt zurückzusenden. Die Abweichung dieser Zählerstände von denen zum 31. Dezember nehmen wir in Kauf. Eine Hochrechnung erfolgt weder durch uns noch durch den jeweiligen Versorger.

... zum Blick in die Zukunft

Als nächste Aufgabe sollten die Mitarbeitenden fünf bis zehn Jahre in die Zukunft denken und beschreiben, wie sich die einzelnen Prozessschritte dann gestalten werden. Der im Kasten dargestellte Teilprozess könnte sich demnach künftig so gestalten:

Zum 31. Dezember, 24:00 Uhr, speichern sämtliche Haupt- und Unterzähler aller Liegenschaften den aktuellen Stand und melden ihn an die relevanten Empfänger, Messstellen- und Netzbetreiber, Versorger, Hausverwaltung, natürlich unter Einhaltung der ein­schlägigen Sicherheits- und Datenschutzvorgaben.

Die Versorger erhalten die Kostendaten vom Mess­stellen- sowie dem Netzbetreiber und arbeiten diese automatisiert in ihre Schlussrechnungen ein, die automatisch an das Buchhaltungssystem der Hausverwaltung eingespielt werden. Sobald alle relevanten Schluss rechnungen vorliegen, übermittelt das Buchhaltungssystem die Daten an den Heiz-kostenabrechner, der kurz darauf die Heizkostenab-rechnung wiederum in das Buchhaltungssystem der Hausverwaltung ein­speist.

Und was machen wir dann noch?

Beim Vergleich des heutigen Prozessablaufs mit dem zukünftigen entfuhr einigen Kollegen spontan die obige Frage. Wir können davon aus­gehen, dass alles, was automatisiert werden kann, auch automatisiert werden wird. Abgesehen von Kontroll- und Über­wachungsaufgaben haben Mitarbeitende mit diesen Prozessschritten kaum noch etwas zu tun. Im beschriebenen Teilprozess z. B. werden vor Weiter­gabe der Daten an den Heizkostenabrechner Plausibilitätskontrol-len erforderlich sein. Auch Änderungen an Daten­pfaden müssen manuell eingepflegt werden, etwa wenn nach einem Wechsel z. B. des Gasversorgers die Stichtagsdaten an den neuen Lieferanten übermittelt werden sollen – selbst wenn das nur alle paar Jahre vorkommt. Über kurz oder lang jedoch wird selbst dies automatisierbar sein, sodass beim Wechsel zu einem anderen Energieversorger mit Vertragsabschluss die smarten Zähler über den neuen Zielort der Datenüber­tragung informiert werden, was allerdings auch überwacht werden muss. In der Buchhaltung Beschäftigte werden sich somit zu „Datenpflegern“ entwickeln, was vielen von ihnen entgegenkommen wird, weil ihnen Strukturiertheit und Gewissenhaftigkeit ohnehin im Blut liegen.

Der menschliche Faktor

Ein wichtiger Aspekt im gesamten Jahresdurchlauf bleibt auch künftig Aufgabe von Menschen: der Umgang mit anderen. Eine Eigentümerversammlung ohne persön­lichen Vorsitz erscheint derzeit nur schwer vorstellbar. Gerade wenn wir an komplizierte Maßnahmen wie energetische Gebäudesanierungen, womöglich mithilfe der Finanzierung durch Fördermittel denken, werden Fähigkeiten zur Erfüllung der folgenden Aufgaben immer wichtiger:

  • einfache Erklärung komplexer Zusammenhänge
  • Herbeiführung von Entscheidungsfindungen
  • Moderation von Diskussionen
  • Mediation bei Meinungsverschiedenheiten
  • Veränderungsmanagement

Da es hierbei erfahrungsgemäß nicht nur um Zahlen, Daten und Fakten geht, sondern auch emotionale Aspekte wie Unsicherheiten und Ängste eine tragende Rolle spielen, sehe ich hier in absehbarer Zeit keine Möglichkeit zur Automatisierung. Im Gegenteil: Dieser Umgang mit Menschen wird einen immer größeren Anteil an unserer Arbeit in der Immobilienverwaltung einnehmen.

Fazit

Mitarbeitende, die derzeit stark standardisierte oder standardisierbare Aufgaben erfüllen, werden sich an andere Tätigkeiten gewöhnen oder Neues erlernen müssen, wenn sie ihren Beruf nicht aufgeben wollen.

Mitarbeitende, die schon jetzt mit Menschen zu tun haben, sollten die oben beschriebenen Soft Skills weiter ausbauen. So kann es gelingen, als Hausver­waltung die kommenden Herausforderungen für Eigentümergemeinschaften möglichst ohne juristische Auseinandersetzungen zu bewältigen.

Hüttl, Thomas

Geschäftsführer der Contecta ­Immobilien­verwaltung GmbH