18.10.2023 Ausgabe: 7/23

Es besteht Handlungsbedarf

Mit dem Wegfall des Nebenkostenprivilegs für Kabel-TV-Anschlüsse wird die Telekommunikationsinfrastruktur für Verwaltungen zum Thema.

In den letzten Eigentümerversammlungen waren ziemlich häufig Sätze wie diese zu hören: Ich will eigentlich gar nicht, dass sich irgend etwas ändert. Glasfaser brauche ich nie im Leben! Da stand jemand vor der Tür und wollte mir einen Glasfaseranschluss verkaufen, da ich sonst bald nicht mehr Fernsehen schauen kann. Die Telekommunikationsinfrastruktur beschäftigt derzeit die Verwaltungen. Was also ist zu tun, und wie sind die Fragen von Eigentümern zu beantworten?

Änderung der Betriebskostenverordnung

Ein wichtiger Ausgangspunkt für Neuerungen ist das „Gesetz zur Modernisierung des Telekommunikations-rechts“ (TKMoG), das am 1. Oktober 2021 in Kraft ge­treten ist. Der Wegfall des Nebenkostenprivilegs ist in diesem Zusammenhang die vermutlich bekannteste. Aufgrund einer Änderung der Betriebskostenverordnung durch das TKMoG gilt demnach: Die laufenden Grund­gebühren für einen Breitbandkabelanschluss dürfen ab 1. Juli 2024 nicht mehr als Betriebskosten auf Mieter umgelegt werden. Bei vermieteten Wohnungen müssen die Eigen­tümer diese Kosten tragen. In Eigentümer­gemeinschaften kann die Neuregelung dazu führen, dass vermie­tende Eigentümer zwar die anteiligen Kosten für den Sammelin­kasso-Vertrag der Ge­meinschaft nach dem geltenden Kostenver­teilungsschlüssel tragen müssen, sie aber nicht mehr auf ihre Mieter umlegen können. Eine Besonderheit gilt für Telekommunikationsnetze, die seit 1. Dezember 2021 errichtet worden sind: Hier gilt der Wegfall des Nebenkostenprivilegs bereits ab Errichtung des Netzes.

Hier gilt ein Sonderkündigungsrecht.

Der Gesetzgeber wollte nun auch die Vermieter nicht im Regen stehen lassen. Als Ausgleich für den Wegfall des Nebenkostenprivilegs gibt das neue Telekommuni-kationsgesetz (TKG) Eigentümern daher die Möglichkeit, einen „Bezugsvertrag über die Belieferung von Gebäuden oder in Gebäuden befindlichen Wohneinheiten mit Tele-kommunikationsdiensten wegen der Beschränkung der Umlagefähigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 Buchstabe a und b der Betriebskostenverordnung frühestens mit Wirkung ab dem 01.07.2024 ohne Einhaltung einer Kündigungs­frist“ zu kündigen (§ 230 Abs. 5 TKG). Diese Regelung gilt nur dann nicht, wenn insbesondere für den Wegfall des Nebenkostenprivilegs etwas anderes vertraglich vereinbart wurde, was die Ausnahme sein dürfte. Ganz wichtig: Das Sonderkündigungsrecht gilt selbst für laufende Bezugs­verträge, die auch die Modernisierung des Hausnetzes gegen eine festgelegte Mindestvertragslaufzeit zum Gegenstand haben.

Mit den neuen Regelungen sollen alle Anbieter von Tele-kommunikationsdienstleistungen die gleichen Chancen im sich um die Glasfasertechnik erweiternden Markt bekommen. Wohnungsnutzer sollen die Möglichkeit haben, aus den verschiedenen Technologien die für sie passende und das von ihnen gewünschte Vertragsmodell auswählen zu können.

Für Eigentümer und Eigentümergemeinschaften heißt es nun, zu prüfen und zu klären, welche Technik bereits vorhanden ist und welche für die Zukunft gewünscht wird. Sie sind damit künftig streng genommen nur noch Gestatter von Kabelverlegungen für die verschiedenen Telekommunikationstechniken. Das führt dazu, dass Ver­waltungen sich mit vorhandenen und neuen Möglichkeiten auseinandersetzen müssen. Zumindest für Eigentümer­gemeinschaften müssen entsprechende Beschlüsse vorbereitet werden.

Welche Anschlüsse sind betroffen?

Die meisten Wohnungen in Mehrfamilienhäusern verfügen über eine Anschlussdose der Telekom mit Kupferdop-peladernetz, das DSL bereitstellen kann. Ab den 1980er Jahren wurden viele Mehrfamilienhäuser darüber hinaus mit Breitbandkabelanschluss versehen. Die Kosten aus den Sammelinkasso-Verträgen für diese Anschlüsse sind nun vom wegfallenden Nebenkostenprivileg betroffen: Werden sie derzeit für die Grundversorgung mit Radio-und Fernsehprogrammen über Gemeinschaftsverträge abgerechnet, ist ihre Weitergabe nun nicht mehr möglich. Solche Bezugsverträge sind zum 1. Juli 2024 (und danach) kündbar. Netzbetreiber bieten Wohnungsnutzern im Falle der Kündigung den Abschluss von Einzelverträgen an. Hierfür ist allerdings der Abschluss eines Gestattungs-vertrags mit dem Gebäudeeigentümer oder der Eigen­tümergemeinschaft nötig.

Der Glasfaser-Hausanschluss

In vielen Regionen gibt es mittlerweile auch einen oder mehrere Anbieter für Glasfaser. Diese Unternehmen bieten im Bereich ihres Ausbaugebiets in der Regel die Erstellung eines Glasfaser-Hausanschlusses kostenfrei an. Oft ist auch die Errichtung eines Glasfaser-Hausnetzes kostenfrei möglich. Gebäudeeigentümer können mit dem Anbieter einen Gestattungsvertrag schließen. Auf dieser Grundlage können Hausbewohner dann Einzelnutzerverträge buchen. In Eigentümergemeinschaften ist die Rechtslage etwas komplizierter: Die Kabelverlegung durch gemeinschaft­liches Eigentum ist eine bauliche Veränderung. Über sie kann seit der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes mit einfacher Mehrheit beschlossen werden, sodass die früher häufig schwer zu erreichende Zustimmung aller nachteilig betroffenen Eigentümer heute kein Hindernis mehr ist. Sobald auf der Grundlage eines Gestattungsvertrags zwi­schen Anbieter und Eigentümergemeinschaft das Hausnetz errichtet ist, können Bewohner einen Einzelnutzervertrag abschließen.

Hier wird’s knifflig.

Bei der Medienversorgung gilt es, einige Klippen zu umschiffen. Kaum nachvollziehbar ist es, dass es viele Anbieter nicht ermöglichen, eine Eigentümergemeinschaft als Kundin anzugeben. Die Formulare sehen dies nicht vor. Manche Breitbandkabelnetzbetreiber verlangen in ihren Gestattungsverträgen die Beteiligung an der „Bewohner­kommunikation“ – will eine Eigentümergemeinschaft so etwas tatsächlich vereinbaren? Mit Fallstricken verbunden ist auch die Vorbereitung der Kabelverlegung: Manche Anbieter verlangen von der Verwaltung Erklärungen, z. B. zum Brandschutz, die ohne Prüfung eigentlich nicht abgegeben werden können. Trotz aller Tücken im Detail ist es die moderne Technik wert, dass sich Eigentümer und Verwaltungen damit auseinandersetzen. Der VDIV Deutschland wird darüber weiter informieren – auch in seiner Handlungsempfehlung, die Verwaltungen über die VDIV-Landesverbände zur Verfügung gestellt wird und im Mitgliederbereich der Website des VDIV Deutschland abrufbar ist. 

Am 16. August 2023 hat das Bundeskabinett das „Solarpaket I“ beschlossen. Es soll die Errichtung von Photovoltaik (PV)-Anlagen erleichtern und beschleunigen. Ausdrücklich bezieht es sich auf Kleinanlagen zur Stromerzeugung aus Sonnenlicht wie Stecker-Solargeräte, sogenannte Balkonkraftwerke. Diese bestehen aus einem oder wenigen Solarmodulen, einem Wechselrichter, einer Anschlussleitung und einem Stecker zur Verbindung mit einem Stromkreis. Es lassen sich derzeit Module mit 400 bis 800 Watt zusammenschalten, die dann abhängig von Lage und Witterung eine Leistung von bis zu 800 Kilowattstunden (kWh) jährlich erbringen können.

Mit dem Solarpaket I werden Balkonkraft­werke entbürokratisiert. Ihre Anmeldung wird erleichtert. Geräte mit einer installierten Leistung von bis zu zwei Kilowatt und einer Wechselrichterleistung von insgesamt bis zu 800 Voltampere sind nur noch beim Markt-stammdatenregister der Bundesnetzagentur zu registrieren. Netz­betreiber sollen dann automatisch informiert werden. Danach wird entschieden, ob ein neuer Zähler verbaut werden muss. Über­gangsweise sind auch rückwärts drehende Zähler geduldet.

Was dürfen Mieter und Eigentümer?

Die Montage der Geräte erfolgt auf dem Balkon – daher der Name – und aus Gründen der Energieeffizienz typischer-weise an der Außenseite der Brüstung. Hier kollidieren die Rechtskreise von Mietern, Eigentümern und Eigentümer­gemeinschaften. Ausdrückliche gesetzliche Regelungen fehlen sowohl im Miet- als auch im Wohnungseigentumsrecht. Im Mietrecht erfolgt eine Interessenabwägung, wollen Mieter die Zustimmung des Vermieters zur Installation einer Anlage erhalten. Die Anlage muss fachgerecht installiert werden, aber bei der Anbringung an der Außenseite der Balkonbrüstung sind auch die vermieterseitigen Interessen an einer ein­heitlichen Fassadengestaltung zu berücksichtigen. Dies ist dann Sache des Einzelfalles (siehe Amtsgericht (AG) Stuttgart, Az. 37 C 2283/20). Im Wohnungseigentum ist die Rechtslage formeller. Die Anbringung von Solarplatten an der Außenseite der Balkonbrüstung stellt eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums dar. Ohne einen mehrheitlichen Beschluss gemäß § 20 Abs. 1 Woh-nungseigentumsgesetz (WEG) ist sie unrechtmäßig (siehe Bundesgerichtshof, Az. V ZR 140/22; AG Konstanz, Az. 4C 425/22). Gegen eine Mehrheit lässt sich die Gestattung des Anbaus nicht erzwingen. Eine Zustimmungspflicht nach § 20 Abs. 3 WEG wird sich nicht begründen lassen, und PV-Anlagen sind nicht durch § 20 Abs. 2 WEG privilegiert.

Gesetzesänderungen sollen Erleichterung schaffen

Mietrechtlich soll § 554 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergänzt werden. Hiernach sollen Mieter verlangen können, dass ihr Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die „[...] der Stromerzeugung durch Stecker-Solar­geräte“ dienen. Im Wohnungseigentumsrecht sollen die Anlagen privilegiert werden. Hierzu wird § 20 Abs. 2 WEG um eine Nr. 5 ergänzt. Jeder Wohnungseigentümer kann dann angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die „[...] der Stromerzeugung durch Stecker-Solargeräte“ dienen. Damit stünde Mietern und Eigentümern ein Erlaubnis- bzw. Gestattungsanspruch zu. Die Ausgestaltung bleibt dann natürlich eine Frage des Einzelfalls.

Schulz, Helge

Der Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht sowie für Bau- und Architektenrecht ist in der Kanzlei Rechtsanwälte Wedler GbR tätig und Justiziar des VDIV Niedersachsen/Bremen e.V.
www.kanzleiwedler.de