08.09.2023 Ausgabe: 6/23

Den Staffelstab übergeben

Was man bei Übergabe und Übernahme eines Verwaltungsmandates dringend beachten sollte.

Es gibt viele Gründe, warum eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) eine neue Verwaltung sucht, etwa wegen Geschäftsauf­gabe der Vorverwaltung, unterschiedlicher Vor­stellungen von der Vergütung oder weil Streitigkeiten zwischen GdWE und Verwaltung zur Trennung führten. Einer potenziellen neuen Verwaltung ist in jedem Fall zu empfehlen, sich schon vor Abgabe ihres Angebots genauer mit der neuen Gemeinschaft zu befassen. Wie gründlich man sie „durchleuchtet,“ liegt im eigenen Ermessen.

Der Sache im Vorfeld auf den Grund gehen

Die Frage, warum es zur Trennung von der Vorverwal-tung kam, ist dabei nicht ganz unwichtig. Entpuppt sich eine GdWE als streitlustig, wäre das u. U. im Angebot zu berücksichtigen. Auch mit dem Objekt, seiner Lage und Größe, sollten Verwaltungen sich vertraut machen, ebenso mit grundsätzlichen Regelungen, also Tei­lungserklärung und Gemeinschaftsordnung der GdWE. Aufschlussreich können auch Beschlusssammlung und Jahresabrechnungen sein, aus denen hervorgeht, ob und wie oft es bereits zu Rechtsstreitigkeiten kam, wie es um die Zahlungsmoral der Eigentümer steht und wie die GdWE finanziell dasteht. Wirft man zudem einen Blick in die Niederschriften zu Eigentümerversammlungen, kann man sowohl deren übliche Dauer einschätzen als auch, welche TOPs abgearbeitet werden konnten. Je nach Art des Objekts empfehlen sich auch Recherchen zu Besonderheiten, z. B. bei Mehrhausanlagen, die mit Heizhäusern versorgt werden, oder mit angeschlossenen Bruchteilsgemeinschaften.

Neu bestellte Verwaltungen sollten den üblicherweise von der Vorverwaltung formulierten Bestellungsbe­schluss prüfen. Ungenauigkeiten sind darin nicht selten, z. B. weil Verwaltung, Laufzeiten und Grundkonditionen nicht konkret bezeichnet sind (siehe Bundesgerichtshof (BGH), Az. V ZR 114/14). Mit einer erneuten Beschluss­fassung ist dann ggf. nachzuschärfen.

Die Verwaltungsunterlagen

Verwaltungsunterlagen sind grundsätzlich Eigentum der GdWE. Mit der Übergabe einer Liegenschaft sind Vorverwaltungen verpflichtet, sie auszuhändigen. Als Organ der Gemeinschaft, das deren Rechte durchsetzt, ist es Aufgabe der neuen Verwaltung, dies einzufordern und damit die Holschuld der Gemeinschaft durchzu­setzen. Das geht nicht immer reibungslos vonstatten. So manche Vorverwaltung beruft sich auf Vergütungs­ansprüche und verweigert die Herausgabe, obwohl kein diesbezügliches Zurückbehaltungsrecht besteht.

Zu den Verwaltungsunterlagen gehören alle während der Betreuung einer Liegenschaft angefallenen Dokumente, auch jene, die zu Beginn der Bestellung übernommen wurden, und auch elektronisch archivierte. Wurden di­gitale Dokumente mit spezieller Software archiviert, ist Vorsicht geboten, und auch, wenn Dateien mit Passwort geschützt sind. Die neue Verwaltung muss sie öffnen und lesen können. Es ist daher sinnvoll, schon während der Verwahrung von Dokumenten an die ordnungsgemäße Rück­gabe zu denken – die für die GdWE stets kostenfrei ist.

Sorgsame Dokumentation

Schon bei Übernahme einer GdWE sollten Verwaltungen dokumentieren, welche Un­terlagen sie erhalten haben. Dies, um einerseits Klarheit zu schaffen und anderer­seits Streitigkeiten bei Beendigung der Zusammenarbeit vorzubeugen. Auch die abgebende Verwaltung sollte protokollieren, welche Unterlagen sie abschließend an die Gemeinschaft zurückgegeben hat. Hilfreich ist hierbei eine vorausschauende Datenverarbeitung, sei es durch Anlage von Ordnern mit Inhaltsverzeichnissen, Schrift-verzeichnisse oder durch Katalogisierung von Verträgen. Dateien müssen nachvollziehbar bezeichnet werden. Die lapidare Bezeichnung „Unterlagen Objekt 123“ wird nicht helfen, wenn Uneinigkeit darüber herrscht, ob Unterlagen  vollständig übergeben wurden. Bekommt eine GdWE ihre Unterlagen nicht zurück, kann sie ihren Anspruch darauf gerichtlich durchsetzen.

Der neuen Verwaltung ist anzuraten, erhaltene Unter­lagen zeitnah zu sichten – wenigstens die Verträge mit Versorgern, Dienstleistern und Versicherungen sowie die Angaben zur Vermögenslage, also Kontostände, Forderungen etc., und zur Be­schlusssammlung.

Wichtige Fristen erfassen

Bei jüngeren Gebäuden kön­nen noch Gewährleistungs­fristen gegenüber Bauträgern laufen. Generell sind auch sol­che gegenüber Handwerkern oder Verjährungsfristen für Zahlungsforderungen gegen Eigentümer zu beach­ten. Aus vorliegenden Verwaltungsunterlagen können auch Antrags- oder Zahlungsfristen ersichtlich werden.

Wer erstellt die Jahresabrechnung?

Eine problematische Frage, die schon nach Wohnungs-eigentumsgesetz alter Fassung (WEG a. F.) umstritten war. Im Fall eines unterjährigen Wechsels der Verwal­tung hat der BGH dies entschieden (Az. V ZR 89/17). Maßgeblich war hier, wann der Anspruch auf die Ab­rechnung entstanden ist: Wechselte die Verwaltung M

itte Januar 2015, war der Anspruch auf die Er­stellung der Abrechnung 2014 bereits entstanden. Offen ließ der BGH, ob der Anspruch zum 31. Dezember oder erst zum 1. Januar entsteht, was bei einem Verwalterwechsel zum Jahreswechsel relevant ist. Mit guten Argumenten lässt sich die Verpflichtung des Vorverwalters hierzu be­gründen. Überzeugend aber erscheint es, auch hier der neuen Verwaltung die Verpflichtung zur Erstellung der Abrechnung aufzuerlegen, da die Bestellung der alten Verwaltung ja quasi mit dem betreffenden Abrechnungszeitraum endet.

Fraglich aber ist, ob seit der Neufassung des § 28 Abs. 2 WEG nicht ohnehin etwas anderes gilt. Nach § 28 Abs. 3 WEG a. F. hatte die Verwaltung „nach Ablauf des Kalenderjahres eine Abrechnung aufzustellen“. Die Neufassung sieht nun eine Be­schlussfassung über die Einforderung von Nach­schüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse vor, und „zu diesem Zweck hat der Verwalter eine Abrechnung“ zu erstellen. Das spricht dafür, dass jeweils die Verwaltung die Abrechnung zu erstellen hat, die die Beschluss­fassung der Eigentümer vorbereitet. Obergericht­lich ist dies zwar noch nicht entschieden. Wenn sich diese Auffassung aber durchsetzt, muss die jeweils bestellte Verwaltung die Abrechnung zur Beschlussvorbereitung erstellen, unabhängig da­von, ob der abzurechnende Zeitraum in die Zeit der Vorverwaltung fällt. Neben der Frage, wer den Aufwand für die Abrechnung zu erbringen hat und wie dieser zu vergüten ist, ist auch zu klären, ob sich eine Verwaltung überhaupt in der Lage sieht, zurückliegende Zeiträume abzurechnen. Fehlen z. B. Unterlagen, ist Ärger programmiert. Besser ist es, dies schon im Vorfeld zu klären und die Vorverwaltung einzubinden.

 

 

Schulz, Helge

Der Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht sowie für Bau- und Architektenrecht ist in der Kanzlei Rechtsanwälte Wedler GbR tätig und Justiziar des VDIV Niedersachsen/Bremen e.V.
www.kanzleiwedler.de