21.07.2023 Ausgabe: 5/23

Gibt es das papierfreie Büro?

Zum Umgang mit analogen und digitalen Verwaltungsdokumenten

Digitalisierung tut Not. Papierakten sind sperrig, kosten Zeit und Geld, rauben Platz und sind da­rüber hinaus auch ortsgebunden. Wo die einen ihre angesammelten und gewohnten Aktenordner lieben, sehnen sich andere nach mehr: Komfort, Übersicht­lichkeit, Einfachheit, Flexibilität, Zeit- und Kostenoptimierung. Viele Verwaltungen befassen sich zu Recht mit der Digitali­sierung ihrer Dokumente. Was aber ist überhaupt möglich, was sinnvoll und was sollte beachtet werden?

Digitalisierung ist kein Selbstzweck.

Ein schlecht angelegter analoger Prozess wird allein durch die Digitalisierung der Papierdokumente nicht besser. Daten in digitaler Form zu sammeln, ist einfach, Speicher­platz günstig, und man sieht die Datenberge nicht – leider! Vor der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) schien es auch in Ordnung, Daten unbegrenzt anzusammeln. Von den so gehorteten Daten wird in der Regel aber nur ein Drittel zum Arbeiten gebraucht. Verwaltungen sollten sich also zunächst fragen, welche Dokumente für ihre Tätigkeit wirklich erforderlich sind und was vernichtet werden kann oder muss. Letzteres bitte vernichten, vernichten, vernichten!

Erst danach geht es um die Digitalisierung der zu archi­vierenden Unterlagen. Hierfür gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Digitalisierung und (Papier-)Vernichtung oder Digitalisierung und (Papier-)Aufbewahrung? Die Entscheidung hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, u. a. von der Frage: Wozu nutzt man Originale? Sie erfüllen verschiedene Zwecke: ein Ausweis als Legiti­mationspapier, ein Vertrag als Beweis, ein Titel/Urteil als Zwangsvollstreckungsgrundlage. Zweite Frage: Was passiert, wenn Originale z. B. bei einem Brand vernichtet werden? Und wie oft kommt das vor? Die Wiederbe­schaffung ist mit Zeit- und Kostenaufwand verbunden, manchmal kommt es zu Beweisproblemen, Rechtsverlust oder Schadensersatzansprüchen. Letztlich lassen sich Originale in der Regel aber ersetzen. Meine These: Die Digitalisierung von wichtigen Unterlagen ist verbunden mit der stetigen Abwägung von Vorteilen, Nachteilen, Wahrscheinlichkeiten und Risiken. An deren Ende steht die bewusste Inkaufnahme von (möglichen) Nachteilen.

Gesetzliche oder vertragliche Formvorgabe

Ist für ein Dokument Schriftform gemäß § 126 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorgeschrieben, „muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig [.] unterzeichnet werden“. § 126a BGB gibt vor: „Soll die [...] schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, so muss der Aussteller [.] das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen.“ Dazu sind ein Ausweisd

okument mit entsprechender Funktion und ein Lesegerät erforderlich. Die elektronische „Unterzeichnung,“ wie sie im Internet gang und gäbe ist, erfüllt nur ganz selten diese Vorgaben. § 126b BGB definiert Textform so: „[...] lesbare Erklärung [...] auf einem dauerhaften Datenträger,“ z. B. Fax oder E-Mail.

Werden die Formvorgaben verletzt, kann dies unter­schiedliche Rechtsfolgen haben. „Ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form er­mangelt, ist nichtig., “ heißt es z. B. in § 125 BGB. Nichtigkeit ist hier letztlich eine klare und eindeutige Rechtsfolge. „Wird der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, so gilt er für unbestimmte Zeit., “ besagt § 550 BGB. Man beachte: „in schriftlicher Form geschlossen“ heißt nicht, dass er in schriftlicher Form vorliegen muss.

Neben diesen Formvorgaben gibt es verschiedene gesetz­liche Regelungen zur Aufbewahrung von Dokumenten. Beispielsweise heißt es in § 257 Handelsgesetzbuch (HGB): „jeder Kaufmann ist verpflichtet, die folgenden Unterlagen geordnet aufzubewahren: Handelsbücher“. § 147 Abga-benordnung (AO) lautet: „die folgenden Unterlagen sind geordnet aufzubewahren: Bücher und Aufzeichnungen“. Hinzu kommen können ver­tragliche Regelungen.

Digitalisierung ist nicht gleich Digitalisierung.

Zu unterscheiden ist zwischen dem einfachen Scannen, das in jedem Un­ternehmen gängige Praxis ist, und dem ersetzenden Scannen. Einfaches Scan­nen erstellt eine Kopie des Originals. Sicherheit, dass diese Kopie mit dem Original übereinstimmt, gibt es nicht. Anders beim ersetzenden Scannen: Hier soll die digitale Kopie das Original tatsächlich ersetzen. Der dafür zu betreibende Aufwand ist enorm, denn vorgeschrieben ist z. B. die lückenlose Beobachtung des Originals bis zum elektronischen Dokument. Dazu gehört es auch, dass in Räumen, wo ersetzende Scans angefertigt werden, Fußböden dunkel zu halten sind, damit herunterfallende Originale leichter bemerkt werden.

Diese Aufgabe übernehmen grundsätzlich Spezialfirmen, die auch über die entsprechende Software verfügen, um nach dem ersetzenden Scan entstandene digitale Originale dauerhaft als Original zu bestätigen. Für Immobilienver­waltungen mit ihren Bergen von Akten ist dies ein kaum gangbarer Weg.

Weniger ist mehr.

Eine der Vorgaben der DSGVO lautet, dass personen­bezogene Daten, die nicht benötigt werden oder für deren Verarbeitung kein Rechtsgrund besteht, gelöscht werden müssen. Für nicht gelöschte Mieterdaten wurde bereits ein Bußgeld in Höhe von 14,5 Mio. Euro verhängt. Das Dilemma: Einerseits ist die zu frühe Vernichtung von Dokumenten nach § 147 AO bußgeldbewehrt, andererseits, nach DSGVO, auch die nicht rechtzeitige Vernichtung.

Was dürfen Verwaltungen?

Die Digitalisierung von Dokumenten und die Aufbe­wahrung der Originale auf Papier dürfen Verwaltungen jederzeit vornehmen. So lassen sich Arbeitsabläufe im Tagesgeschäft optimie­ren, Unterlagen, die z. B. an die Eigentümergemein­schaft herauszugeben sind, bleiben aber erhalten. Die Digitalisierung von Unter­lagen und Vernichtung der Originale auf Papier bedarf grundsätzlich einer Erlaub­nis – per Beschluss, Ver­trag oder Gesetz. Enthält der Verwaltervertrag einer Eigentümergemeinschaft bereits eine Klausel, die die Vernichtung digitalisierter Dokumente erlaubt, kommt es auf die konkrete For­mulierung an, damit die Regelung wirksam ist.

Die Digitalisierung von Dokumenten und die Aufbe­wahrung der Originale auf Papier dürfen Verwaltungen jederzeit vornehmen. So lassen sich Arbeitsabläufe im Tagesgeschäft optimie­ren, Unterlagen, die z. B. an die Eigentümergemein­schaft herauszugeben sind, bleiben aber erhalten. Die Digitalisierung von Unter­lagen und Vernichtung der Originale auf Papier bedarf grundsätzlich einer Erlaub­nis – per Beschluss, Ver­trag oder Gesetz. Enthält der Verwaltervertrag einer Eigentümergemeinschaft bereits eine Klausel, die die Vernichtung digitalisierter Dokumente erlaubt, kommt es auf die konkrete For­mulierung an, damit die Regelung wirksam ist.

Vergütung für Verwalter

Verwaltungen nehmen häufig bei der Übernahme von Objekten in Eigentümergemeinschaften zu viele Unter­lagen an. Das bedeutet für sie letztlich mehr Aufwand, höhere Kosten sowie ein größeres Haftungsrisiko, und es kann bei Verstößen auch höheres Bußgeld drohen. Hier ist zu geschickterem Vorgehen zu raten: Aufwand und Haftung reduzieren, zudem auch noch Geld verdienen – eine häufig verkannte Option.

Gross, Steffen

Der Rechtsanwalt ist Inhaber der Kanzlei Groß Rechtsanwälte.
www.gross.team