26.05.2023 Ausgabe: 4/23

Desolate Finanzlage in Wohnungseigentümergemeinschaften

Die Sanierungspläne der Bundesregierung sind so nicht umsetzbar.

Über 96 Prozent der Immobilienverwaltungen sehen Wohnungseigentümergemeinschaften finanziell nicht dazu in der Lage, umfassende energetische Sanierungen vorzunehmen. 87 Prozent der Verwaltungen schätzen zudem, dass die Er­haltungsrücklagen nicht ausreichen, um ältere Heizungen auszutauschen. Weit über 90 Prozent der Verwaltungen gehen des Weiteren davon aus, dass es Eigentümern nicht möglich sein wird, deutlich höhere Rücklagen zu leisten oder sogenannte Sonderumlagen zu zahlen. Dies sind nur einige Ergebnisse einer Blitzumfrage des VDIV Deutschland unter rund 1.600 Immobilien­verwaltungen anlässlich der Diskussionen rund um die energetische Sanierung des Wohngebäudebestandes. 

Die angekündigten No­vellierungen des Ge-bäudeenergiegesetzes (GEG) sowie der EU-Ge­bäuderichtlinie (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD) zeigen: Der finanzielle Aufwand für ener­getische Sanierungen im Gebäudebestand wird weiter steigen. Wenn z. B. die 65-Prozent-EE-Vorgabe – d. h. ab 2024 eingebaute Heizungen müssen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden – oder die EU-Forderung nach Energieeffizienzklasse D als Mindeststandard für alle Gebäude bis 2033 umgesetzt werden sollen, müssen Gebäudeeigentümer deutlich mehr investieren und sanieren als bisher angenommen.

Blitzumfrage liefert ernüchternde Zahlen.

Um herauszufinden, ob Eigentümergemeinschaften solche Maßnahmen überhaupt finanzieren können, hat der VDIV Deutschland im März dieses Jahres eine Blitzumfrage bei rund 1.600 Unternehmen durchgeführt. Das Ergebnis: Die befragten Immobilienverwaltungen geben mit großer Mehrheit (96 Prozent) an, dass die Rücklagen in den von ihnen betreuten Wohnungseigentümergemeinschaften nicht hoch genug seien, um die Wohngebäude umfassend energetisch sanieren zu können. 88 Prozent der befragten Immobilienverwaltungen geben an, den Gemeinschaften mit Blick auf zukünftige Sanierungsaufgaben eine Er­höhung der Erhaltungsrücklagenzahlungen vorzuschla­gen – im Durchschnitt um rund 59 Prozent. Gleichzeitig sehen mehr als 90 Prozent der Befragten die Gefahr, dass einzelne Eigentümerinnen und Eigentümer finanziell nicht in der Lage sein werden, deutlich höhere Rücklagen bzw. eine entsprechende Sonderumlage zu zahlen.

85 Prozent der befragten Unternehmen gaben zudem an, über zu wenig Personal zu verfügen, um energetische Sa­nierungsmaßnahmen begleiten und umsetzen zu können. Über 58 Prozent gehen davon aus, dass ihr Unternehmen dafür nicht ausreichend qualifiziert ist und begründen dies mit dem fehlenden entsprechenden Fachpersonal.

Was ist zu tun?

Die Ergebnisse sind alarmierend. In Zeiten steigender Zinsen und hoher Inflation kommen die Sanierungspläne der Bundesregierung zur Unzeit. Es besteht ernsthafte Gefahr, dass Wohnungseigentümer die finanziellen Mittel nicht aufbringen können. Am Ende droht womöglich der Notverkauf des lang ersehnten Eigentums.

Der Einbau eines neuen Heizsystems ist zudem nur sinn­voll, wenn es in ein energetisches Gesamtkonzept des Wohngebäudes integriert wird. Ein darauf abzielender kostenfrei zur Verfügung stehender Sanierungsfahrplan, wie im Koalitionsvertrag 2021 angekündigt, würde die dann zu erwartenden Kosten benennen und zur Versachlichung der Diskussion beitragen. Bis heute fehlt jedoch jegliche Umsetzung.

Die Ergebnisse zeigen eindeutig, dass an zwei Stell­schrauben gedreht werden muss. Zum einen ist es notwendig, die Umsetzungszeiträume von GEG und EPBD zu strecken. Zum anderen müssen bestehende Förderprogramme und Zuschüsse deutlich aufgestockt und neue steuerliche Abschreibungsmodelle aufgelegt werden. Insoweit bleibt abzuwarten, ob die kürzliche Ankündigung der Bundesregierung, bei dieser Mam-mutaufgabe tatsächlich „niemanden im Stich“ lassen zu wollen, Realität werden wird.


Die Ergebnisse der Umfrage können Sie online abrufen: www.vdiv.de/publikationen

Kaßler, Martin

Geschäftsführer des VDIV Deutschland