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Umsatzsteuer: Keine Lieferung dezentral verbauchten Stroms (BFH) – im Gegensatz zur Auffassung von Finanzämtern

In einem sehr aktuellen Urteil des BFH vom 11.05.2023 (V R 22/21) hat dieser seine Rechtsauffassung vom 29.11.2022 (XI R 18/21), entgegen Abschnitt 2.5 Absatz 17 Satz 2 bis 4 des Umsatzsteueranwendungserlasses, bestätigt. Demzufolge führt selbst erzeugter und dezentral verbrauchter Strom nicht zu einer Lieferung an den Stromnetzbetreiber im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG.

Der zu klärende Fall betraf ein im Jahr 2010 betriebenes Blockheizkraftwerk, kurz BHKW. Dort wurde Strom erzeugt und dezentral verbraucht. Strittig war nun die Frage, ob umsatzsteuerrechtlich dieser Strom gem. § 3 Abs. 1 UStG an den Stromnetzbetreiber geliefert wurde. Das Finanzgericht Köln, welche die Revision zum BFH zugelassen hatte, war der Auffassung, dass keine Lieferung vorläge und selbst im Zweifel ein nicht steuerbarer Umsatz innerhalb der zwischen des BHKW-Betreibers und des Stromnetzbetreibers bestehenden Organschaft vorliegen würde.

Die Richter des BFH bestätigten die Auffassung des Finanzgericht Kölns hinsichtlich der Lieferung und kamen ebenfalls zu der Rechtsansicht, dass der im BHKW erzeugte und dezentral verbrauchte Strom umsatzsteuerrechtlich nicht nach § 3 Abs. 1 UStG an den Stromnetzbetreiber geliefert wurde. Dazu verwies er, wie oben bereits erwähnt, auf sein Urteil vom 29.11.2022, dessen Tenor die Verneinung einer umsatzsteuerlichen Lieferung von Zuschlägen für Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), bei dezentral erzeugtem und verbrauchtem Strom gem. § 4 Abs. 3a KWKG (Rechtsstand 2009), war.

Um weiteren Verwaltungsaufwand zu vermeiden, wurde zusätzlich ausgeführt, dass der im BHKW erzeugte und dezentral verbraucht Strom auch nicht an den Anlagenbetreiber selber zurückgeliefert wird im Sinne des Umsatzsteuergesetztes. Ebenso wenig läge eine sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9 UStG vor.

Die oben genannten BFH-Urteile aus 2022 und 2023 wurden von unterschiedlichen Senaten ausgesprochen und sind in ihrem Inhalt sowie in ihrem Ergebnis so gut wie deckungsgleich. Somit widersprechen nun schon zwei höchstrichterliche Instanzen der Verwaltungsauffassung der Finanzämter im oben genannten Abschnitt 2.5 Absatz 17 Satz 2 bis 4 des Umsatzsteueranwendungserlasses. Die weitere Entwicklung bleibt also mit Spannung abzuwarten.

Matthias Weckenmann
Diplom-Betriebswirt (DH)

Steuerberater
prvw Reutlinger
Steuerberatungsgesellschaft mbH
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72348 Rosenfeld